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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Tür.
    »Was wollen Sie?«, erkundigte sie sich mit energischem Unterton. »Ist Ihnen nicht klar, wie spät es ist?«
    »Durchaus, ma chère«, kam es dumpf zurück, und Sarah hatte den Eindruck, dass du Gards Zunge ein wenig schwerer war als sonst. »Dennoch sollten wir uns kurz unterhalten.«
    »Worüber?«, fragte Sarah.
    »Über uns«, kam es entwaffnend ehrlich zurück.
    Weshalb Sarah du Gards Ersuchen nachkam, wusste sie später nicht mehr zu sagen. Vielleicht lag es daran, dass das von ihm vorgeschlagene Thema sie interessierte, vielleicht wollte sie den lallenden Franzosen aber auch nur vom Hotelflur entfernen, um zu verhindern, dass er die anderen Gäste weckte. Jedenfalls zog sie energisch den Riegel beiseite und öffnete die Tür.
    Du Gard bot einen desolaten Anblick.
    Seinen Rock hatte er abgelegt, ebenso wie die Schleife. Die Ärmel seines weißen, mit Rüschen besetzten Hemdes hatte er aufgekrempelt und die obersten Knöpfe geöffnet, sodass darunter blasse Haut zu sehen war. Seine Gesichtszüge waren leicht gerötet, einige Strähnen seines langen Haars hingen ihm wild und wirr ins Gesicht. In der einen Hand hielt er eine längliche Flasche, in der anderen zwei kunstvoll geschwungene Gläser.
    »Im Weinkeller habe ich diesen exzellenten Spätburgunder gefunden, ma chère«, verkündete er mit dem charmantesten Lächeln, das Sarah je auf seinen Zügen gesehen hatte.
    »Und?«, erkundigte sie sich dennoch ungerührt.
    »Ich weiß nicht, wie man es in Ihrer Heimat hält – aber hierzulande käme es einer Katastrophe gleich, einen solch edlen Tropfen allein zu trinken.«
    »In meiner Heimat, Monsieur, pflegen Gentlemen nicht zu später Stunde an die Tür einer Dame zu klopfen und Einlass zu begehren«, wies Sarah ihn brüsk zurecht, »und schon gar nicht in angetrunkenem Zustand.«
    »Oui, c’est vrai.« Du Gard nickte, und ein Anflug von Bedauern vertrieb das Grinsen aus seinem Gesicht. »Ich habe ein wenig getrunken. Sehen Sie es mir nach, Sarah. Es ist der Preis dafür, dass ich nicht von Ihrer Seite weiche.«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Stimmen, Sarah«, flüsterte er. »Wohin ich auch gehe, höre ich sie. Sie drängen sich mir auf, stürzen von allen Seiten auf mich ein, und ich kann nichts dagegen tun. Die Welt spricht zu mir.«
    »Ich spreche auch zu Ihnen«, entgegnete Sarah schlagfertig, »und ich sage Ihnen, gehen Sie auf Ihr Zimmer und schlafen Sie. Morgen ist ein anstrengender Tag.«
    »Morgen«, echote du Gard. »Warum alles verschieben?«
    »Weil es besser ist, glauben Sie mir«, versicherte Sarah mit indigniertem Augenaufschlag.
    »Sind Sie sicher?« Du Gard grinste noch breiter. »Was hat Ihr Vater Ihnen eigentlich beigebracht? Wissen Sie nicht, was der gute Epikur uns lehrte? Carpe diem …«
    »Mein Vater ist der Lehre der Stoa stets mehr gefolgt als jener des Epikur«, entgegnete Sarah, »und in diesem Sinn hat er mich auch erzogen.«
    »Wie schade.« Du Gard rümpfte die Nase. »Mais alors, es erklärt manches.«
    »Was soll das nun wieder heißen?«
    »Das wollen Sie nicht hören«, war du Gard überzeugt und wollte sich zum Gehen wenden. »Bonne nuit, ma chère.«
    »Hiergeblieben«, befahl Sarah streng. »Was wollten Sie damit sagen, ›es erklärt manches‹.«
    »Eh bien, Sie haben es so gewollt.« Du Gard nickte entschlossen. »Ihr britisches Gehabe, Ihre Herrschsucht, Ihre Furcht davor, die Kontrolle zu verlieren …«
    »Ich fürchte mich nicht, die Kontrolle zu verlieren«, widersprach Sarah entschieden.
    »Ach nein? Warum verstecken Sie sich dann unter dieser lächerlichen Kostümierung?« Er deutete auf die Decke, die sie um ihre Schultern geschlungen hatte. »Und warum geben Sie nicht einfach zu, dass Sie einen Heidenspaß an dieser ganzen Sache haben.«
    »Was?«
    »Mais oui, Sie wissen, was ich meine. Verborgene Hinweise, ein geheimnisvolles Artefakt und eine – wenn auch vage – Spur, die womöglich zu einem der größten archäologischen Funde der Geschichte führt – das alles ist doch ganz nach Ihrem Geschmack.«
    Sarah holte tief Luft. »Wie können Sie es wagen, so etwas zu behaupten?«, platzte sie dann heraus. »Mein Vater schwebt in Lebensgefahr!«
    »Oui, und wenn es nicht so wäre, wären Sie schon längst wieder zu Hause in England. Warum wohl waren Sie so darauf versessen, die Gefahren dieser Reise auf sich zu nehmen?«
    »Weil es um das Leben meines Vaters geht«, entgegnete Sarah.
    »Non – weil Sie den Gedanken nicht ertragen können, dass er

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