Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
nicht vergiftet, oder?«, fragte der Par’chin und nahm ihm den Becher ab.
Die Frage war berechtigt. Eine der winzigen Porzellanflaschen in Abbans Sortiment enthielt tatsächlich Couzi, dem ein Gift beigemischt war, und Abban nahm täglich ein Gegenmittel ein. Trotzdem setzte er eine gekränkte Miene auf. »Du kränkst mich, mein Freund! Warum sollte ich dir schaden wollen?«
Der Par’chin zuckte die Achseln. »Ich war lange genug im Basar, um auf dem neuesten Stand zu sein. Wie es heißt, seid ihr ganz plötzlich wieder Kissenfreunde, Jardir und du. Jetzt frage ich mich natürlich, ob ihr immer so gut miteinander ausgekommen seid und seine öffentlichen Demütigungen nur eine Jongleurvorstellung waren. Und ich frage mich, ob du mich dazu verleitet hast, den Speer zu bergen, damit dein Freund ihn mir stehlen konnte.«
»Ich hatte dich gewarnt«, erwiderte Abban. »Das kannst du nicht abstreiten, Par’chin . Sagte ich dir nicht, dass ich nicht mit Artefakten handele, die aus Anochs Sonne stammen? Sagte ich dir nicht, was mein Volk mit dir anstellen würde, wenn du die Heilige Stadt auch nur mit deinen Füßen entweihen, geschweige denn die darin befindlichen Schätze stehlen würdest?«
»Und trotzdem gabst du mir die Karte.«
»Du hast mich darum gebeten , Par’chin «, betonte Abban. »Offen gestanden hielt ich die Heilige Stadt für einen Mythos, und ich hätte nie geglaubt, dass du sie finden würdest. Aber ich schuldete dir einen Gefallen und habe meine Schuld beglichen.«
Er legte eine Pause ein. »Dabei fällt mir ein, Par’chin , dass du mir noch etwas schuldig bist. ›So viele bahavanische Keramiken, wie ein Maultier tragen kann‹, hast du mir versprochen. Bist du vielleicht deshalb zu mir gekommen? Um endlich deine Schulden zu bezahlen?«
Der Par’chin lachte, und Abban war betroffen, als er merkte, wie sehr er dieses Lachen vermisst hatte. Sie stießen mit ihren Bechern an und tranken, dann füllte Abban sie sofort nach. Sie ließen sich mit dem Trinken viel Zeit, und insgeheim genossen beide dieses Wiedersehen nach so vielen Jahren. Erst als sie den Zimtgeschmack herauskosteten, gingen sie zum Geschäftlichen über.
»Warum bist du hier, Par’chin ?«, fragte Abban. »Du musst doch wissen, dass Ahmann dich töten wird, sobald er dich findet, und ihm entgeht nichts.«
Der Par’chin winkte lässig ab. »Bevor er meine Spur wittert, bin ich längst wieder fort.« Er begegnete Abbans Blick. »Wirst du ihm von unserem Treffen erzählen?«
Abban zuckte mit den Schultern. »Ich sehe nicht, welchen Nutzen es mir brächte, wenn ich schweige, und ich werde meinen Gebieter nicht belügen.«
Der Par’chin nickte. »Ich würde dich auch nie um Stillschweigen bitten. Ganz im Gegenteil, ich möchte, dass du ihm von mir eine Botschaft überbringst.« Aus seinen Gewändern zog er ein kleines zusammengerolltes Stück Papier, das mit einer schlichten Kordel umwickelt war. Als Abban die Rolle entgegennahm, schmunzelte der Par’chin . »Ich wollte dir die Mühe ersparen, das Siegel aufzubrechen und dann ein neues anfertigen zu müssen. Jardir wird meine Handschrift erkennen.«
Abban gluckste und knotete die Schnur auf. Die Schrift des Par’chin war so schmuckvoll und schön wie immer, aber als er die Worte las, wurde ihm flau im Magen. Er blickte seinen treuen Freund an und schüttelte den Kopf.
»Du hast ja keine Ahnung, was aus ihm geworden ist, Par’chin «, sagte er. »Du bist ihm nicht mehr gewachsen. Dieses eine Mal bitte ich dich um etwas: Lauf weg und komm nie wieder zurück. Ich schwöre bei Everams Bart, dass ich Ahmann nichts von unserer Begegnung verraten werde.«
Aber der Par’chin lächelte nur. »Er konnte mich im Labyrinth nicht töten, und damals war ich nur ein schwacher Schatten des Mannes, zu dem ich mich entwickelt habe. Du solltest lieber anfangen, dich nach einem neuen Gebieter umzusehen.«
»Das gefällt mir genauso wenig wie der Gedanke, er könnte dich töten«, sagte Abban. »Gibt es denn keinen anderen Weg?«
Der Sohn des Jeph schüttelte den Kopf. »Ala ist zu klein für uns beide.«
31
Er lebt
333 NR – Herbst
S har’Dama Ka , der khaffit ist hier und will mit dir sprechen.«
Jardir nickte und schickte den Wächter fort, als Abban in das Kartenzimmer humpelte. Torkelnd steuerte der khaffit auf einen der gepolsterten Stühle zu. Er stolperte, schaffte es aber, auf den Sitz zu fallen. Vor Erleichterung seufzte er.
Jardirs Nase verriet ihm den Grund dafür, noch
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