Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
kam und um mich werben wollte. Wie viele Mädchen gab es in deinem Leben?«
Arlen zuckte mit den Schultern. »Zwei oder drei.«
»Meine Güte, bist du begehrt!« Renna spuckte aus. Sie merkte, wie das Ungeheuer in ihr wütete, dieser Dämonenspuk, und nach Gewalt schrie. Sie knirschte mit den Zähnen. Das Gefühl war zu stark, um es anzunehmen. Es war überwältigend. Sie verspannte sich und kämpfte gegen den Drang an, sich auf Arlen zu stürzen. Ihn vielleicht sogar zu töten.
»Was soll das?!« Arlen sah den wilden Ausdruck in ihren Augen und erwiderte ihn mit zehnfacher Wut. »Sollte ich dir die Treue halten, nur weil unsere Väter uns verschacherten wie Vieh? Ich verließ Tibbets Bach und hatte nicht vor, jemals zurückzukommen, Ren.«
Renna prallte zurück. Arlen Strohballen, allein der Gedanke an ihn und die Erinnerung an den Kuss auf dem Heuboden und ihr gesprochenes Gelöbnis, waren Renna Gerbers ganze Welt gewesen, als sie noch jung war. Träume von Arlen hatten ihr geholfen, schwere Zeiten zu überstehen, an denen andere Menschen zerbrochen wären. An denen andere Menschen zerbrochen waren . Die Vorstellung, dass sie ihm damals nichts bedeutet hatte, dass er nicht einmal an sie dachte, war kaum zu ertragen.
Arlen kam zu ihr, und instinktiv zog sie das Messer. Er war schneller, packte ihre Handgelenke und hielt sie mit der Kraft eines Felsendämons fest. Vergebens versuchte sie, sich gegen ihn zu wehren.
»Damals wusste ich nicht, was für ein Mädchen du bist«, erklärte Arlen. »Oder zu welcher Frau du dich entwickeln würdest. Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich sofort umgekehrt und hätte dich mitgenommen.«
Renna hörte auf, sich zu sträuben, und blickte ihn an. »Ist das die Wahrheit?«
»Es ist die Wahrheit«, betonte Arlen. »Dich interessiert, ob ich früher ein paar Frauen näher gekannt habe? Ay, das war der Fall. Aber ich kannte sie in der Vergangenheit, und die ist endgültig vorbei.« Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und hob es an, damit sie sich in die Augen sehen konnten. »Meine Zukunft ist Renna Gerber.«
Renna ließ das Messer auf den Boden fallen, doch als Arlen sie losließ, stürzte sie sich trotzdem auf ihn.
4
Die zweite Ankunft
333 NR – Sommer
26 Morgendämmerungen vor Neumond
S ie galoppierten bis zum Morgengrauen, dann ließen sie die Pferde Schritt gehen, während die Sonne ihre nächtliche Kraft wegbrannte. Arlen bog von der Straße ab und führte Schattentänzer am Zügel sicher einen Kurierweg entlang, der sich in vielen Windungen krümmte und so stark mit Pflanzen überwuchert war, dass man ihn kaum ausmachen konnte. Der Pfad unter Rennas Füßen brach niemals ab, aber er tauchte so unvermittelt vor ihr auf und verschwand dann hinter ihrem Rücken, als würde sie durch einen dichten Nebel wandern.
Gegen Mittag gelangten sie auf eine breite Kurierstraße, und nach einer Pause, in der sie etwas aßen und einige notwendige Dinge verrichteten, konnten sie wieder aufsitzen. Wie die Straßen in Flussbrücke, so bestand auch die Alte Hügelstraße aus Steinen, aber die meisten waren mittlerweile rissig und durchsetzt mit großen Löchern, die angefüllt waren mit Dreck, in denen Gestrüpp und Unkraut wuchsen. An manchen Stellen war ein ganzer Baum hindurchgebrochen und hatte gewaltige Steinblöcke angehoben, die nun mit Moos und Erdreich bedeckt waren. Gelegentlich war die Straße über lange Strecken völlig intakt, als hätte die Zeit ihr nichts anhaben können. Meilenweit erstreckten sich die flachen, grauen Steine, fast ohne Risse oder Lücken.
»Wie hat man so große Steine überhaupt bewegt?«, wunderte sich Renna.
»Das sind keine natürlichen Steine, die man transportieren und bewegen musste«, erklärte Arlen. »Man fertigte sie aus einem schlammigen Brei an, der Beton genannt wird, und der sich zu einem soliden Fels verfestigt. Früher waren alle Straßen so, breit und mit diesen Betonsteinen gepflastert. Mitunter waren sie Hunderte von Meilen lang.«
»Und was ist daraus geworden?«
Arlen spuckte aus. »Die Welt wurde zu klein für große Straßen. Jetzt ist die Alte Hügelstraße eine der letzten ihrer Art. Es dauerte lange, bis die Natur sie zurückeroberte, aber letzten Endes setzt sie sich immer durch.«
»Auf dieser Straße werden wir schnell vorankommen«, meinte Renna.
»Ay, aber in der Nacht musst du dich auf etwas gefasst machen«, warnte Arlen. »Die Felddämonen werden hierhergezogen wie Schweine an einen Futtertrog. Sie steigen
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