Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
übrigen Männern zu, deren Angst sich nun verdoppelt zu haben schien – und das aus gutem Grund. Mittlerweile war es so dunkel, dass Renna mit ihren Nachtaugen zu sehen begann. Leuchtende Fetzen aus Magie, die normale Menschen nicht sehen konnten, stiegen langsam aus dem Boden empor, sammelten sich in den Schatten und nahmen an Leuchtkraft zu. Bald würde sich der Weg zum Horc gänzlich öffnen, und die Dämonen konnten auftauchen.
Jered, ein sechzehnjähriger Junge, hielt seinen Speer so krampfhaft fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. »Warum hast du das gemacht? Ich will nicht sterben.«
»Einmal stirbt jeder«, entgegnete Arlen. »Die Art und Weise, wie wir zu Tode kommen, ist wichtig. Willst du sterben, weil du zu viel Schiss hattest, um dich zu verteidigen? Willst du, dass deine Familie stirbt, weil deine Knie unter dir nachgaben, als du sie beschützen solltest? Oder willst du einen Horcling mit in den Tod nehmen? Vielleicht sogar mehrere?«
»Musst du Dämonen in unser Lager reinlassen, um deinen Standpunkt zu erklären, Bursche?«, wetterte Varley. Dabei zeigte er auf die ersten Horclinge, die sich dicht am Rand der Lichtung, wo es bereits ganz dunkel war, verstofflichten.
»In dieses Lager wird kein Dämon eindringen«, erwiderte Arlen und holte tief Luft. Renna sah, wie der sanft glühende Nebel vor Arlens Füßen plötzlich auf ihn zuströmte wie Rauch, der von einem Blasebalg eingesogen wird. Die Luft in Arlens Umgebung verdunkelte sich, als er die Magie in sich aufnahm, dann wurde sie wieder heller, und die Siegel auf seiner Haut fingen an zu glühen. Selbst mit ihren normalen Augen konnten die Haferfelder dieses Schauspiel beobachten, und sie stießen einstimmig einen leisen Schrei aus.
Ein Felddämon verfestigte sich und flitzte zu der Lücke in den Siegeln. Irgendwo im Lager kreischte angstvoll eine Frau. Arlen ließ seine Hand durch die Luft sausen und zeichnete ein großes Siegel. Es flackerte auf, als der Dämon die Stelle erreichte, und sein Sprung endete mit einem Knirschen mitten in der Luft. Die Magie prallte ab und schleuderte den Dämon ein gutes Stück vom Lager fort.
»Beim Schöpfer«, hauchte Varley.
»Darf ich mir mal deinen Speer borgen?«, fragte Arlen Jered und riss dem Jungen die Waffe aus den tauben Fingern.
Arlen trat vor die Siegel und zielte mit dem Speer auf den am Boden liegenden Horcling. »Seht ihr, wie der Felddämon zappeln muss, um wieder auf die Beine zu kommen?«, brüllte er so laut, dass jeder es hören musste. »Keine andere Kreatur auf vier Beinen rennt schneller, und ihre scharfen Schuppen machen sogar einen mit Siegeln verstärkten Speer stumpf.« Der Dämon sprang ihn an, aber Arlen wich leichtfüßig zur Seite aus und rammte den Dämon mit dem hinteren Ende des Speerschafts. Stoßsiegel flammten auf und warfen den Dämon auf den Rücken. »Deshalb muss man ihn von den Füßen reißen, damit er seinen Bauch darbietet, der nicht mal gegen Spucke gepanzert ist.« Er stieß mit voller Wucht zu und trieb den Speer direkt in die Brust des Dämons.
Während er sprach, rückte Renna auf den nächsten Dämon zu, der eine feste Gestalt annahm. Sie atmete tief ein, wie Arlen es getan hatte, gewillt, die Magie der Umgebung in sich aufzunehmen. Die Luft rings um sie her verfinsterte sich nicht, aber Renna hätte schwören können, dass sie etwas spürte. Die Müdigkeit vom Tag war verschwunden. Sie fühlte sich stark.
Der Felddämon stürzte sich auf sie und ließ die Arme vorschnellen wie Peitschenschnüre, aber Renna sah den Angriff kommen und wich den blitzenden Krallen mühelos aus. Sie rannte auf den Horcling zu, ehe der sich wieder fangen konnte, und schlang ihm ihre Kette um den Hals. Die auf die Flusskiesel aufgemalten Siegel blitzten in einem grellen Feuer und sorgten dafür, dass die Kette sich zuschnürte. Der Dämon versuchte zu schreien, doch lediglich ein heiseres Keuchen entrang sich seiner Kehle. Renna umklammerte die Bestie mit den Beinen, darauf bedacht, dass die Krallen sie nicht erreichten, und ließ auch dann nicht los, als der Horcling sich hin und her wälzte und wild um sich schlug. Im nächsten Moment entlud sich eine Stichflamme aus Magie, als die Kiesel mit einem Ruck freikamen und der Kopf des Dämons zu Boden fiel. Geschwind zückte sie Harls Messer und behielt die anderen Dämonen im Auge, die durch die Gegend schlichen, während Arlen mit seinem Unterricht fortfuhr.
Der Morgen nahte, als Arlen zum Krankenzelt
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