Die Flammen der Dunkelheit
angebaut wurden, und ein Brunnen oder Bächlein zum Durstlöschen, mehr brauchte er nicht. Einmal stahl er einen harten Fladen, der auf der Ablage unter einem geöffneten Fenster lag. Das schmeckte ganz gut, trotz der leichten Bitterkeit, und war eine willkommene Abwechslung.
Er hätte gerne gefragt, wie weit es noch bis zur Stadt war, aber er traute sich nicht. Es war sicher unklug, wenn er sein Ziel verriet und jemandem die Gelegenheit gab, seinerseits Fragen zu stellen. Auch wenn er durch die Eintönigkeit der Tage zunehmend sorgloser wurde, vergaß er seine Vorsicht nicht ganz. Deshalb suchte er sofort Deckung in einer dichten Dornenhecke, als er an einem Nachmittag einen größeren, alleinstehenden Hof mit mehreren Stallungen und Scheunen erreichte und kurz darauf ein ungewöhnliches Donnern von Westen her vernahm. Von seinem Beobachtungsposten aus bemerkte er, dass die Menschen aufgeregt hin und her rannten und ängstlich in die Richtung blickten, aus der das Geräusch heranrollte. Ein Junge, kaum viel älter als Glic, mit einem ebenmäßigen, fein geschnittenen Gesicht und schwarzen Haaren, der gerade am Brunnen Wasser schöpfte, war mitten in der Bewegung erstarrt, bis ihn jemand packte und mit sich in den Stall zog. Inzwischen hatte die Erde begonnen zu beben und Glic konnte die Rufe von zwei Falken hören. Er verstand immer noch nicht, was los war, bis er eine dunkle Masse von Westen herankommen sah, die sich langsam in die einzelnen Konturen großer Tiere mit Menschen auf dem Rücken auflöste, je näher sie kam. Soldaten auf Pferden, dachte er aufgeregt. Die Alte hatte ihm davon berichtet. Sie hatte auch gesagt, dass die Soldaten aus der Stadt kamen und auf der ganzen Insel die Abkömmlinge der Dämonen jagten. Dafür richteten sie Bluthunde ab, die ihnen beim Aufspüren helfen sollten.
Einem Dämon würde es nie in den Sinn kommen, ein Tier zu unterjochen, damit es ihm auf diese Weise diente, dachte Glic unwillkürlich. Allerdings war er unsicher, ob diese Behauptung stimmte, allzu viel hatte ihm die Alte über dieses Volk nicht erzählt, das die Menschen vor dreihundert Jahren besiegt und vernichtet hatten.
Wie kann es nach so langer Zeit noch so viele Menschen mit Dämonenblut geben?, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Und wieso hatten sie seinen Vater nicht schon vor Jahrhunderten umgebracht wie alle anderen?
Schrille Vogelschreie zogen seine Aufmerksamkeit auf sich, bevor er sich weiter in diesen Überlegungen verlieren konnte. Die beiden Falken jagten einen Raben. Geschickt trieben die Greifvögel ihren schwarzgefiederten Gegner vor sich her. Als sie näher kamen, konnte Glic erkennen, dass der Rabenvogel eine Dohle war. Ob es sich um seinen Gefährten aus dem Wald handelte? Nein, das konnte nicht sein, der war viel zu weit entfernt. Trotzdem fühlte er mit dem Tier. Angespannt beobachtete er den ungleichen Kampf. Die Dohle versuchte mit waghalsigen Wendemanövern zu entkommen, sie schlug regelrecht Haken wie ein Hase auf der Flucht. Doch auch die Falken waren gute Flieger. Sie ließen sich selbst bei einem gefährlich schnellen Flug durch das Geäst mehrerer Bäume nicht abschütteln. Und wieder stiegen die Vögel auf in den Himmel, bis sie nur noch sich rasch bewegende Pünktchen waren. Im Sturzflug kehrten sie zurück und Glic bemerkte, dass dies ein Fehler war. Denn jetzt griffen Bogenschützen ein, die sich unter den Reitern befanden, und unterstützten ihre Jagdvögel mit gut gezielten Schüssen. Pfeile sausten haarscharf an dem Rabenvogel vorbei und Glic hielt den Atem an, als einer von ihnen die Dohle am Flügel traf. Das Tier überschlug sich in der Luft und geriet ins Trudeln, bis es wie ein Stein das letzte Stück in die Tiefe sauste und nicht weit von Glics Versteck entfernt auf dem Boden aufschlug. Dieser zögerte keinen Augenblick und krabbelte unter der Hecke hervor, die ihn mit dornenbewehrten Zweigen festzuhalten schien. Aber er riss sich los, rannte zu dem Vogel, hob ihn auf und kehrte so schnell wie möglich zu seinem Unterschlupf zurück, begleitet von den Rufen der Falken, die über dem Hof kreisten. Der Rückweg in das Versteck war leichter, es war ihm fast, als würde die Hecke ihre Dornen einziehen. Trotzdem war er inzwischen ziemlich zerkratzt. Das kümmerte ihn nicht, seine Sorge galt dem Vogel, und er war sehr erleichtert, als er feststellte, dass dieser noch lebte. Ein Flügel hing schlaff vom Körper herab, vermutlich war der Knochen durch die Wucht des Pfeiles
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