Die Flammen der Dunkelheit
sie auch den letzten Rest von Jugend und Unbeschwertheit verlor. Seine Blicke wanderten von ihrem Gesicht zum Haar, das sich einem goldenen Tuch gleich um die Schultern legte. Aurnia rührte sich nicht, ihre Glieder, ja selbst die Gedanken waren wie gelähmt. Schließlich schickte der Erwählte sich an, den Raum zu verlassen. Die Türklinke schon in der Hand, drehte er sich noch einmal um.
»Ich werde diesen Fehler wohl korrigieren müssen. Und vergesst das Hemd nicht!«
Seine Worte hingen noch lange im Raum und wanden sich als Schlinge um Aurnias Hals. Sobald sie wieder in der Lage war zu denken, machte sie sich bittere Vorwürfe, nicht den Mund gehalten zu haben. Aber als sie sich das Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen ließ, hatte sie den Eindruck, er war schon mit dem Vorsatz gekommen, Brone zum Sündenbock zu machen. Er sprach nie viel mit ihr, doch seine Worte waren stets wohlüberlegt, so viel wusste sie aus Erfahrung. Vermutlich hatte der Erwählte längst gespürt, dass sie ihm entglitt, und das war seine Lösung des Problems. Sie konnte nicht zulassen, dass ein Unschuldiger diesem Machtspiel zum Opfer fiel!
Mit zitternden Fingern schrieb sie eine Nachricht, in der sie den geliebten Mann bat, so schnell wie möglich aus der Stadt zu verschwinden und irgendwo unterzutauchen, nur nicht bei Angehörigen oder Freunden. Er sei unter den furchtbaren Verdacht geraten, Dämonenblut in sich zu tragen. Dann klingelte sie nach Dervla, dem einzigen Menschen im gesamten Palast, dem sie vertraute. Sie hatte die junge Dienerin vom ersten Arbeitstag an unter die Fittiche genommen, weil sie das zurückhaltende Mädchen mit dem blonden Zopf auf Anhieb mochte und sich auf seine Verschwiegenheit verlassen konnte. Inzwischen genoss die Zofe viele Sonderrechte, trotzdem war sie bescheiden geblieben, was Aurnia ihr hoch anrechnete. Während sie auf das Mädchen wartete, versiegelte sie den Brief.
Ungeduldig trommelte sie auf die Tischplatte. Endlich klopfte es an der Tür und Dervla trat ein. Aurnia ging ihr entgegen und fasste sie bei der Hand. Eindringlich redete sie auf die junge Dienerin ein: »Bringe diese Botschaft so schnell wie möglich zu unserem Hofmaler. Lass dich durch nichts aufhalten, übergib sie nur ihm persönlich und schwöre mir, dass du niemandem etwas davon erzählst!«
Dervla nickte, leistete gehorsam den Schwur und nahm den Brief entgegen. Ihre Augen glitzerten. Wahrscheinlich fand sie es aufregend, in eine geheime Angelegenheit eingeweiht zu werden.
»Beeile dich!« Aurnias Angst und Sorge konnten nicht größer sein. Sie sah dem Mädchen nach, das den Umschlag unter der Schürze versteckte. Unruhig lief sie im Zimmer auf und ab. Sie hatte Mühe, nicht einfach aus dem Raum zu stürzen und Brone selbst aufzusuchen. Hoffentlich beeilte sich Dervla!
»Bitte lass es nicht zu spät sein! Beschütze ihn, er hat doch nichts getan!«, flehte sie Jalluth an. Irgendwann ließ die Anspannung nach und sie setzte sich wieder auf den Lehnstuhl. Als sie die Näharbeit in die Hand nahm, begann sie zu weinen. Die Wände um sie herum schienen immer näher zu rücken. Sie war nie frei gewesen, aber jetzt war ihr alle Hoffnung genommen, in der Zukunft einmal glücklich und selbstbestimmt leben zu dürfen. Doch das spielte keine Rolle, solange Brone nur am Leben blieb. Sie rutschte vom Stuhl, um auf Knien inbrünstig die Bitten an Jalluth zu wiederholen.
Dervla musste mehrmals klopfen, bevor geöffnet wurde. Es war gar nicht einfach gewesen hierherzugelangen, ohne dass sie jemand sah. Sie atmete hörbar auf, als die Tür endlich lautlos aufschwang und der Gesuchte vor ihr stand. Ohne eine weitere Erklärung überreichte sie den Brief, knickste und wartete einen Augenblick, ob sie noch eine Anweisung bekam oder Fragen beantworten musste. Doch ihr Gegenüber sagte kein Wort, und sie hastete von dannen, während sie sich zurechtlegte, was sie der Königin später berichten würde. Ohne sich umzudrehen, wusste sie, dass der Erwählte ihr nachsah. Sie konnte förmlich spüren, wie sein Blick sich in ihren Rücken bohrte.
Der Wald schien ihm merkwürdig leer zu sein, die gewohnten Geräusche tönten plötzlich unheimlich. Glic fühlte sich beobachtet, ja belauert, und sein Gang wurde unwillkürlich schneller. Vielleicht hätte ihm die Alte im Fall einer Gefahr nicht in jedem Fall helfen können, aber seit sie tot war, kam er sich schutzlos vor und die vertraute Umgebung wirkte auf einmal fremd. Früher schon hatte
Weitere Kostenlose Bücher