Die Flammen der Dunkelheit
gebrochen. Glic fand seine Vermutung durch Tasten bestätigt. Er schnitt einen Stoffstreifen aus dem Hemd und Zweige aus dem Strauch. Dann schiente er den Bruch, so gut es ging. Der Vogel ließ alles reglos über sich ergehen.
Die Reitertruppe hatte jetzt ebenfalls den Hof erreicht. Über ihrer Kleidung aus Leder trugen sie Brustpanzer sowie Arm- und Beinschienen, die aus Eisen gefertigt waren. Mitten auf der sonst schmucklosen Brustplatte prangte ein schwarzes Achteck, in das eine rote Flamme gemalt war. Das Zeichen konnte er auch auf einer mitgeführten Fahne erkennen und bei einem der Reiter, der stets von vier Mitstreitern umringt war, sah er das Achteck golden umrahmt. Glic vermutete, dass es sich um den Anführer handelte.
Ein Teil der Männer stieg ab und schwärmte sofort aus. Sie hatten tatsächlich Hunde dabei, die ohne Unterlass jaulten und kläfften. Mitten durch den Lärm rief einer der Soldaten nach den Falken. Der Anführer brüllte: »Sucht diesen rothaarigen Bengel!«
Glic zog den Kopf ein. Natürlich hatten ihn die Soldaten bei seinem Rettungsversuch gesehen, doch jetzt war es zu spät, sich Vorwürfe zu machen. Richtig bereuen konnte er die Tat sowieso nicht, schließlich waren Tiere für ihn von klein auf die einzigen Freunde gewesen. Er hoffte nur, dass ihm auch die Hunde der Reiter wohlgesonnen waren. Die Männer schauten sich nach ihm um, konnten aber in dem dichten Gebüsch nichts erkennen und Glic hatte wohlweislich die Jacke über den verräterisch leuchtenden Haarschopf gezogen. Sie stocherten mit Speeren in der Hecke herum, die sich in dem verfilzten Geäst verfingen. Es war ein Leichtes für Glic ihnen auszuweichen. Mit der Zeit beschlich ihn sogar das merkwürdige Gefühl, dass das Gestrüpp immer mehr in die Breite wuchs und dichter wurde, aber das bildete er sich in seiner Angst sicher nur ein. Zu Glics Erleichterung schnüffelten die Hunde zwar neugierig an dem Versteck herum, schlugen jedoch nicht an, um ihn zu melden.
Plötzlich lenkte ein anderes Ereignis die Soldaten ab und zuerst war Glic froh darüber. Zwei Männer schleiften den sich heftig wehrenden schwarzhaarigen Jungen aus dem Stall über den Hof. Beinahe wäre es ihm gelungen sich loszureißen. Er schien über große Kräfte zu verfügen, aber es konnten auch Angst und Verzweiflung sein, die ihn über sich hinauswachsen ließen. Die beiden Soldaten fluchten und riefen um Hilfe. Sofort eilten andere herbei, und nach einem kurzen Wortwechsel wurde der Junge in Ketten gelegt und diese mit eisernen Pflöcken am Boden befestigt, sodass er sich nicht mehr rühren konnte. Dann holten die Soldaten Strohbündel aus der Scheune, die sie rings um ihn herum aufschichteten, während andere die restlichen Bauersleute vor dem Stall zusammentrieben und mit den bellenden Hunden in Schach hielten. Als das Kind unter einem Strohberg verschwunden war, legte ein Mann Feuer. Ungläubig sah Glic, wie Flammen in die Höhe züngelten und nicht lange danach ertönten Schreie. Es drängte ihn, einzugreifen und das Kind, so wie vorher den Vogel, zu retten, doch eine unerklärliche Lähmung hielt ihn in der Hecke gefangen. Er kämpfte dagegen an, aber vergeblich. Eine ältere Frau bewies mehr Mut als er. Sie löste sich aus der verängstigten Gruppe und stürzte ungeachtet der nach ihr schnappenden Hunde auf den Scheiterhaufen zu. Aber sie kam nicht weit, ein Soldat erhob eine schwere Streitaxt, schlug sie nieder und hieb ihr mit einem mächtigen Schlag den Kopf ab. Dieser rollte den anderen, die mit vor Grauen verzerrten Gesichtern erstarrt dastanden, geradewegs vor die Füße, während die grässlichen Schreie des verbrennenden Kindes in den Ohren aller gellten.
Die Gesichter der Soldaten waren unbewegt, nur in der Miene des Anführers zeigte sich etwas wie Befriedigung. Es war beinahe eine Wohltat, als das Feuer hoch aufloderte und die Schreie schließlich erstarben. Glic merkte erst jetzt, dass ihm Tränen über das Gesicht liefen und Blut auf sein Kinn tropfte, weil er sich so sehr auf die Unterlippe biss. Er hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, vielleicht sogar nie mehr. Sein Herz raste, und er musste all seine Kraft aufbieten, um nicht hemmungslos zu schluchzen. Warum hatte er nicht einmal versucht, dem Jungen zu helfen? Er wäre sicher schneller gewesen als die Frau, und die Hunde hätten ihm vielleicht geholfen Verwirrung zu stiften. Immer mehr Ideen fielen ihm ein, wie es hätte gelingen können. Doch es war zu spät! Er
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