Die Flammen der Dunkelheit
drückte das verletzte Tier in seinem Arm viel zu fest gegen die Brust, aber die Dohle wehrte sich nicht. Ihr Kopf hing herab, als würde sie verstehen, was vor sich ging.
Dämmerung brach herein und die Soldaten errichteten in dem Gehöft ihr Nachtlager. Die Bauern hatten sie allesamt in die Scheune gesperrt. Sobald es dunkel war, kroch Glic unter der Hecke hervor, um zu verschwinden. Er hielt den Geruch der Uniformen nach nassem Leder und den Gestank von Rauch und verbranntem Fleisch keinen Augenblick länger aus. Vielleicht floh er auch vor sich selbst und seiner Feigheit, die er sich unablässig vorwarf. Der Himmel war von Wolken bedeckt, und er konnte nicht viel sehen, aber die Feinde konnten das ebenfalls nicht. Vorsichtig tastete er sich an der Hecke entlang, immer weiter weg von den Gebäuden und Lagerfeuern. Es begann zu regnen und auch der letzte der Soldaten flüchtete ins Trockene. Einer der Hunde hob den Kopf und starrte in Glics Richtung, bellte aber nicht. Er stand auf, schüttelte sich und trottete hinüber zu ihm. Glic schob die Dohle unter seine Jacke, damit der Vogel den Hund nicht sehen und voller Angst Lärm schlagen würde. Mit der anderen Hand kraulte er dem Vierbeiner den Nacken, während er leise flüsternd und ganz langsam seinen Weg fortsetzte. Solange er es nur mit Tieren zu tun hatte, fühlte sich Glic allem gewachsen. Von den Menschen hatte er genug. Nie wieder wollte er einem von ihnen begegnen! Als die Lichter des Gehöfts nur noch Pünktchen waren, blieb der Hund erst unschlüssig stehen und kehrte dann um. Glic sah ihm hinterher, bis ihn die Dunkelheit verschluckte.
Eigentlich wollte Glic so schnell wie möglich in den Wald zurück, aber nach ein paar Meilen erregten ein großes Feuer am Rande eines kleinen Dorfes und ein merkwürdiger Geruch seine Aufmerksamkeit. Im ersten Moment hatte er Angst, wieder Zeuge einer Hinrichtung zu werden, aber er konnte nirgends Soldaten entdecken. Die Neugier siegte, er bettete die Dohle vorsichtig in seine Umhängetasche und schlich sich an den geheimnisvollen Ort heran. An einer der Hütten am Rand der Siedlung befand sich ein offener Anbau. Dort loderte ein gewaltiges Feuer in einem gemauerten Becken, vor dem ein Mann mit ebenfalls gewaltigen Ausmaßen stand. Die schulterlangen dunklen Haare waren zusammengebunden und er trug eine lederne Schürze und eisenbeschlagene Ledermanschetten um die Handgelenke. Mit kräftigen Händen drückte er die Stiele eines merkwürdigen dreieckigen Gerätes aus Holz und Leder zusammen und Glic sah, dass Luft aus dessen Spitze entwich und das Feuer weiter anfachte. Dann legte der Mann das Ding auf den Boden und nahm mit einer riesigen Zange ein gebogenes Stück Eisen, um es in die Flammen zu halten. Nach einer Weile holte er es wieder heraus und Glic sah, dass es rot glühte. Er staunte, denn er hatte nicht gewusst, dass Metall brennen konnte. Der Riese legte es auf eine Art Baumstumpf aus Eisen und schlug mit einem mächtigen Hammer darauf ein. Glic fragte sich, was der Mann da machte, und kam näher. Er sah, dass an einem der Pfosten ein Pferd angebunden war. Der Mann legte das Eisen wieder in die Glut und die ganze Prozedur begann von Neuem. Ob er auf diese Weise die todbringende Kraft in das Eisen bannte? Glic rückte immer näher. Vielleicht war er einem Geheimnis auf der Spur. Seine ganzen Sinne waren auf das Geschehen vor ihm gerichtet, und er nahm nicht wahr, wie sich ihm jemand näherte. Erst als er plötzlich unsanft am Kragen gepackt wurde, merkte er, dass er nicht darauf geachtet hatte, sich zu verstecken.
»Was schleichst du hier herum?«, herrschte ihn eine unfreundliche Stimme an.
In Todesangst versuchte er sich loszureißen, aber der Unbekannte hielt ihn mit unbarmherzigem Griff fest.
Der rußgeschwärzte Riese drehte sich zu ihnen um und starrte Glic mit zusammengekniffenen Augen an. »Da bist du ja endlich!«, rief er auf einmal, bückte sich und streckte Glic das dreieckige Gerät hin. »Los, nimm den Blasebalg, das Feuer ist noch nicht heiß genug.« Dann wandte er sich an den Mann hinter dem Jungen. »Wenn ich Euer Pferd beschlagen soll, müsst Ihr meinen Gehilfen schon loslassen.«
Einen Moment lang geschah nichts, dann stieß der Angesprochene Glic von sich. Dieser stolperte vorwärts, geradewegs auf das Feuer zu. Fieberhaft überlegte er, was er tun sollte. Er könnte wegrennen, aber möglicherweise war er nicht schnell genug und verräterisch wäre es auch. Besser er machte das Spiel
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