Die Flammen der Dunkelheit
sich unbehaglich unter ihrem forschenden Blick. Ahnte sie, was ihn gerade beschäftigte? Was würde sie wohl dazu sagen, wenn sie es wüsste? Er bezweifelte, dass sie ihn verstehen könnte oder gar seine Überlegungen gutheißen würde. Nie hatte er herausgefunden, auf welcher Seite sie stand oder was in ihr vorging. Dídean blieb geheimnisvoll. Aber er spürte, dass sie mehr war als die einfache Dienerin, für die alle anderen im Palast sie hielten. Er war gespannt auf den Tag, an dem sie sich verraten würde. Niemand konnte sein Innerstes restlos und für immer verbergen, das hatte er oft genug beobachtet. Selbst dem Erwählten konnte man, wenn auch selten, ansehen, dass ihn nicht nur heilige Gedanken bewegten.
Dallachar zeigte keine Eile, die in den Fels gehauenen Treppen zur Stadt hinaufzusteigen. Der Regen würde nichts verschlimmern. Auch ohne nasse Kleidung war ihm schon lange durch und durch kalt.
Glic rann der Schweiß über Gesicht und Rücken. Die aus der Esse strömende Hitze war kaum auszuhalten. Trotzdem bediente er den Blasebalg, wie Aodh es ihn geheißen hatte. Er verfolgte die Veränderung des Erzes, das rote Glühen, das über Orange und Gelb zu einem blendenden Weiß wurde, das der Schmied in eine vorbereitete Form goss. Es war seltsam, dass aus einer Flüssigkeit so hartes Material werden konnte. Glic war erstaunt, wie vielseitig die Arbeit des Schmieds war und wofür die Menschen das Metall alles nutzten. In der langen Zeit, die Glic nun schon bei ihm verbrachte, hatte er Aodh geholfen Waffen, Hacken, Mistgabeln, Ketten, einen Pflug, Hufeisen, Kessel und einen Türknauf herzustellen. Heute Abend wollte der Schmied ihm zeigen, wie man das dazu passende Schloss baute. Das todbringende Geheimnis des Eisens aber hatte Glic bisher nirgends entdecken können. Schon mehrmals wollte er sich danach erkundigen, doch die Angst vor unangenehmen Gegenfragen hielt ihn ab. Aodh hatte nie etwas über seine Vergangenheit wissen wollen, und Glic hoffte, dass das so blieb. Während die beiden arbeiteten, hüpfte die Dohle im nahe gelegenen Buschwerk herum. Sie hatte sich ungewöhnlich schnell erholt, konnte aber bis jetzt nur kürzere Strecken fliegen. Glic hoffte, dass sie nicht nur deshalb in seiner Nähe blieb. Er bildete sich ein, dass es derselbe Vogel sein musste, der ihm im Wald über den Weg geflattert war, weil diese Verbindung zu seinem ehemaligen Zuhause Trost für ihn bedeutete. Ohne das Tier hätte er sich trotz Aodhs Freundlichkeit manchmal sehr verloren gefühlt, vor allem, wenn ihn Träume von dem verbrennenden Jungen aus dem Schlaf schreckten. Sein Herz klopfte in diesen Nächten so stark, dass er manchmal glaubte, jenes Donnern der Hufe zu hören, das die Soldaten damals angekündigt hatte. Sie waren hier im Dorf noch nicht aufgetaucht oder vielleicht auch schon vor Glics Ankunft wieder abgezogen. Er hatte keine Ahnung und wollte ungern fragen. Am liebsten hätte er das Wort »Soldat« nicht einmal mehr gedacht.
Das Geheimnis, wie man ein Schloss baut, erwies sich als sehr spannend. Über den ganzen Tisch verstreut lagen Werkzeuge und Eisenteile, die sich zu verschiedenen Schlössern zusammensetzen ließen. Dazwischen hüpfte die Dohle umher und zupfte Glic ab und zu an den Haaren. Der kraulte ihr abwesend den Hals und lauschte mit roten Ohren Aodhs Erklärungen über Fallriegel- und Sperrfederschlösser und die Bedeutung der Schlüssel. Es gab auch Hindernisse, die man einbaute und die als Besatzungen bezeichnet wurden. Dies konnten Stäbe oder Bleche sein. Aufmerksam beobachtete Glic, wie der Schmied die Einzelteile verband, sie mit dem Schlüssel ausprobierte und immer wieder nachbesserte, bis er selbst endlich ungeduldig begann ein Schloss zusammenzusetzen. Aodh, der längst bemerkt hatte, wie gelehrig der Junge war, ließ ihn gewähren. Gespannt schaute er zu und nickte zufrieden, als Glic stolz sein fertiges Werk zeigte.
»Du kennst nun ihr Innenleben. Deshalb habe ich jetzt eine andere Aufgabe für dich«, sagte Aodh und holte fertige Schlösser aus einem Korb. »Manchmal verliert jemand den Schlüssel. Zeig mir, wie du das Schloss ohne ihn öffnest.«
»Mit deinem großen Hammer!«, sagte Glic und lächelte spitzbübisch.
Mit funkelnden Augen zerzauste der Schmied ihm das Haar. »Nimm einmal an, ich hätte meinen großen Hammer versteckt. Und die Zange …« Schnell räumte er einige der Werkzeuge vom Tisch.
Glic kaute auf seiner Unterlippe, drehte die Schlösser in der Hand und
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