Die Flammen der Dunkelheit
dachte über den Mechanismus von Stiften und Federn nach. Schließlich stocherte er mit einem Nagel in den Öffnungen, aber der war zu dick. Er versuchte es auf eine andere Weise und scheiterte. Glic zog die Stirn in Falten. Es musste doch einen Weg geben, diese Stifte oder Federn zu verschieben.
»Du wirst es schon herausfinden«, sagte Aodh und gähnte. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Nachdem der Schmied sich in seine Kammer zurückgezogen hatte, saß Glic noch am Tisch und versuchte sein Glück mit den Schlössern, bis ihm die Augen zufielen. Schließlich gab er auf und schwankte zu seinem Lager. Die Dohle ließ sich auf einer Stuhllehne nieder und steckte den Kopf unter die Flügel.
Am anderen Morgen war Glic vor dem Schmied auf den Beinen. Als Aodh, angelockt durch die Geräusche, nach seiner Esse sah, war Glic eben dabei, einen glühenden Nagel zu behauen, bis er ihm dünn genug vorkam. Vorsichtig bog er ein Ende zu einem Haken, brachte ihn nochmals zum Glühen und löschte ihn in kaltem Wasser ab. Triumphierend hob er ihn hoch und rannte in die Hütte. Er hielt eines der Schlösser ans Ohr und schob sein Werkzeug in die Öffnung. Aufmerksam lauschte er, während er es mit leichtem Druck drehte. Als er ein feines Klicken hörte, nickte er zufrieden. Mit Drehen und Schieben hatte er schließlich alle Stifte beiseitegedrückt und das Schloss sprang auf. Stolz sah der Junge den Schmied an, der ihm gefolgt war.
»Jetzt das Federschloss!«, sagte dieser und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Geduldig bearbeitete Glic auch dieses Schloss, bis er sein Ziel erreicht hatte. Den Rest des Tages verbrachte Glic damit, Schlösser auseinander- und wieder zusammenzubauen und sie dann ohne Schlüssel zu öffnen, um seine Fertigkeit zu üben. Es machte ihm großen Spaß, weil es nicht nur rohe Kraft wie beim Schmieden erforderte, sondern vor allem Geschicklichkeit und ein gutes Gehör und beides besaß er im Übermaß. Aodh ließ ihn gewähren, seine Leidenschaft galt mehr der Bearbeitung glühenden Eisens, für die er durchaus mehr einsetzte als nur Kraft, aber das hätte er niemandem erklären können. Es war ihm deswegen recht, wenn der Junge ihm etwas eher Ungeliebtes abnehmen konnte und sich damit sein Brot verdiente.
Im Lauf der Zeit sprach sich Glics Begabung im Dorf herum und er bekam viele Aufträge. Die anfängliche Zurückhaltung ihm, dem Fremden, gegenüber legte sich, als die Bauern merkten, dass er nützlich für sie war. Aodh hatte ihm inzwischen ein richtiges Bett gebaut und der Junge begann sich heimisch zu fühlen. Obwohl er den Wald vermisste, schätzte er die Unterhaltungen mit den anderen und vor allem Aodhs Gesellschaft. Vielleicht wegen der Größe und Kraft des Schmieds, aber auch wegen seiner Freundlichkeit empfand Glic so etwas wie Geborgenheit in seiner Gegenwart. Die Dohle schien unruhig und verschwand immer wieder für ein paar Tage, doch sie kehrte stets zurück, als wäre auch sie hier heimisch geworden. Ihr Flügel war vollkommen verheilt, und man merkte ihren waghalsigen Flügen nicht an, dass sie einmal schwer verletzt gewesen war.
Eines Morgens wirkte Aodh seltsam abwesend und blieb den ganzen Tag über wortkarg und in sich gekehrt. Glic konnte nicht herausfinden, was den Schmied belastete, und so flüchtete er mit seinem Werkzeug zu einem Bauern, dessen Türschloss klemmte, um der gedrückten Stimmung zu entgehen. Es erwies sich als schwierig, das Schloss zu reparieren, aber das lenkte ihn immerhin ab. Dankbar nahm er die Einladung des Bauern an, mit ihm und der Familie zu Abend zu essen, als er endlich fertig war. Das Schwatzen der zahlreichen Kinder und die Katze, die um seine Beine strich, machten ihm Freude. Während er den Erzählungen und Neckereien lauschte, wurde ihm bewusst, wie einsam er aufgewachsen war. Es wäre sicher einfacher gewesen, wenn er Geschwister gehabt hätte, um mit ihnen spielen, lachen und streiten zu können. Daran, dass er sich nach dem Überfall der Soldaten wieder im Wald hatte verkriechen wollen, dachte er nicht mehr. Er hatte seinen Frieden mit den Menschen geschlossen, denn er sah an den Bewohnern in diesem Dorf, dass keineswegs alle grausam und abgrundtief böse waren, und nicht zuletzt hatte Aodh ihn wie selbstverständlich aufgenommen. Glic entschied, mit dem Nachdenken über die Vergangenheit aufzuhören, und schloss sich den Späßen der anderen am Tisch an.
Gut gelaunt machte er sich auf den Heimweg, doch als er die Hütte betrat,
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