Die Flammen der Dunkelheit
mit ihnen. Er hielt es für wichtig, dass sie Bescheid wussten, nicht nur für den Fall, dass ihm selbst etwas geschah.
Für die Jungen waren dies die aufregendsten Abende. Sie unterhielten sich oft über das Gehörte und spannen ihre eigenen Vermutungen weiter. Das Lernen fiel Glic dagegen nicht so leicht, er hatte keine große Freude an Büchern und hätte lieber Fährten gelesen. Ab und zu erwischte er sich bei dem Gedanken, dass die Flammenkrieger ihn ruhig finden sollten, damit hätte sein Leiden wenigstens ein Ende. Aber dann fiel ihm wieder der Tag ein, als er Dorc am Strand gefunden und dessen Verletzungen gesehen hatte. Vermutlich gab es doch Schlimmeres, als sein Leben in einem Erdloch zu verbringen.
IV
Im Herzen der Feinde
Frost bewacht den Schlaf,
doch Feuer wird Funke sein
und zwei Herzen erwecken.
Ein Ring bringt alles ans Licht.
Die 6. Prophezeiung Maidins
Wie seltsam doch die Wege des Schicksals verlaufen! Wir tun alles, was in unserer Macht steht, nur um zu scheitern, und während wir resigniert auf das Ende warten, scheint sich die Prophezeiung von allein zu erfüllen. Er würde es nie zugeben, aber ich bin sicher, Aithreo glaubte nicht mehr an einen guten Ausgang, so wenig wie ich selbst. Niemals ist jemand den Kerkern entkommen. Nun sind Dunkelheit und Schläue vereint, in die wir alle Hoffnung setzen, und es geschah anders, als wir dachten. Welche Überraschungen werden wir noch erleben? Werden es auch böse sein? Wir können nicht davon ausgehen, dass es immer eine gute Wendung für uns nehmen wird. Oder sollte ich mir selbst doch ein wenig mehr Hoffnung zugestehen? Nein, nicht für mich! Dazu sind meine Träume zu eindeutig. Wieder frage ich mich, warum ich weitermache mit etwas, das mir den Tod bringen wird. Es wäre natürlich schön, wenn ich mir antworten könnte: Weil ich so herzensgut und edel bin! Das ist nicht so, den Beweis habe ich längst erbracht. Auch den Wunsch nach Ruhm und Ehre habe ich bereits ausgeschlossen. Denke ich gar, ähnlich wie Aithreo, dass das Leben von Einzelnen gegen die Zukunft eines ganzen Volkes nichts zählt? Bisher habe ich diese Sicht nie geteilt, das glaubte ich zumindest. Für mich besitzt jeder Einzelne, ob Mensch oder Dämon, das Recht zu leben. Allerdings ist es denkbar, dass ich anders entscheiden würde, wäre ich wie Aithreo für viele verantwortlich. Ich weiß es nicht, trotz aller Grübelei. Vielleicht ist es so, dass ich immer weitermache, weil ich keine Lösung finde, wie ich meinen Anteil am Ganzen beenden soll. Könnte also ein Held auch dadurch entstehen, dass er unfähig ist, sich für eine Handlung zu entscheiden? Oder ist es etwas noch Dümmeres, nämlich grenzenlose Neugier? Möchte ich einfach nur wissen, wie sich Maidins Worte erfüllen? Das könnte ich ebenso gut aus der Ferne beobachten, und viel mehr unternimmt keiner von uns.
Unsere Geduld wird auf eine harte Probe gestellt. Seit Jahren geschieht nichts weiter, als dass wir warten. Die einen voller Zuversicht, die anderen in steter Angst vor Entdeckung. Das Schwierige an Maidins Prophezeiungen ist nicht nur jedes ihrer rätselhaften Worte, sondern auch die Tatsache, dass sie keine Anhaltspunkte über Zeiträume gibt. Ich bin sogar unsicher, ob die Reihenfolge der Verse etwas über den Verlauf der Entwicklung aussagt. Allerdings verfolge ich diesen Gedanken nicht aus der Hoffnung heraus, dass damit die düsteren Verse der achten Prophezeiung bereits Geschichte statt die Zukunft sind, wie es sich manche aus unserem Volk wünschen.
Und was wünsche ich mir? Vielleicht am meisten Sorglosigkeit. Einmal nicht von bangen Fragen gequält zu werden, woher ich das nötige Brot bekomme und ob heute der Tag ist, an dem die Häscher Jalluths wieder an die Tür klopfen und diesmal etwas finden. Die Stadt hat sich verändert und mit ihr die Menschen. Es gibt keine Sicherheit mehr, für niemanden, und das hat Spuren hinterlassen, in den Gesichtern und in den Herzen. Lachen, Freundschaft, Vertrauen gibt es schon lange nirgends mehr. Auch Respekt und Ehre sind verschwunden. Aber wer bin ich, ausgerechnet diesen Verlust zu beklagen!
Cathair-lonrach,
die 116227. Nacht seit dem Untergang der Sonne
Wie kalt sie geworden war, ihre Stadt! Aurnias Fingerspitzen folgten den Spuren der Tropfen auf der Fensterscheibe, als sie kurz in einem der Gänge des Palastes stehen blieb und auf die grauen Dächer unter sich sah. Unaufhörlich machte der Regen den Menschen das Leben zur Hölle. Die Insel ertrank
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