Die Flammen von Lindisfarne
sich Lars Wolfssohn und Thorleif Knochenbrecher gemeinsam in einem Kriegszug dem Urteil der Götter stellen sollten, hatte Haakon Bärensprung seinem Ältesten die Teilnahme am Kriegszug verwehrt. Denn Thorleif war in dieser Zeit in Ringan sein Vertreter und würde seine Würde als Jarl von Ringan-Fjord übernehmen, wenn Haakon nicht zurück kam. Deshalb schob sich auch Högni Schlangenblick aus den Reihen der Männer, die sich gierig nach einem Platz im Schiff drängten. Was wäre Thorleifs Kraft, wenn sie nicht durch seinen, Högnis, messerscharfen und doch tückischen Verstand geleitet wurde.
„Ich wusste, dass wir nur noch eine knappe Tagesreise von unserem Ziel entfernt sind“, lächelte Harald Drachenreiter, als ihm Lars noch einmal meldete, dass er mit dem Tiefenlot keinen Grund bekam.
„Woher weißt du?“ staunte Lars. „Auch du machst diese Fahrt nach Britannia zum ersten Mal!“
„Für einen guten Seemann ist das Meer überall vertraut. Auch dort, wo es fremd ist“, sagte Harald. „Seit mehr als zwanzig Jahren stehe ich jetzt an der Ruderpinne und bin noch jedes-mal dort angekommen, wo ich hinwollte. Es müssen ungefähr zwanzig Jahre her sein, dass ich an der Seite meines Vaters die erste Fahrt machte. Eine Fahrt, die uns auch nach Westen führte.“
„Die Fahrt, die Agnar Biberzahn nach den verlorenen Inseln unternahm?“ fragte Lars aufs Geratewohl.
„Wer hat dir denn davon erzählt?“ wunderte sich der Steuermann und nahm eine unwesentliche Korrektur des Kurs vor.
„Sven Blutaxt war es, der mir den Weg nach Walhall mit dem Erbe seines Schwertes dankte“, erklärte der junge Krieger und schlug leicht mit der Hand an das Griffstück der Waffe, die an seinem Gürtel schwang.
„Ja, ich erinnere mich“, nickte Harald. „Der alte Sven war zwar damals schon ein Greis, aber ein Schwertschwinger, wie ich keinen zweiten sah. Selbst Sigurd Schildspalter hätte ihm in seinen besten Tagen nicht vor die Klinge kommen dürfen. Schade, dass Sigurd diese Fahrt nicht mitmachen kann - es war deine Schuld, wie ich hörte!“
„Er unterwies mich in der Kunst des Schwertkampfes, wie er ihn bei den Franken gelernt hatte“, sagte Lars schuldbewusst. „Der mächtige Roland soll sein Lehrmeister gewesen sein. Und so zeigte er mir alle Hiebe und Finten, die ihm die Paladine das König Karl beigebracht hatten. Das ist ein ganz anderes Fechten als das wilde Draufschlagen, wie unser kühne Jarl die Klinge schwingt.“
„Du willst mir noch nicht erzählen, dass du Sigurd im Schwertkampf besiegt hast?“ fragte der Drachenreiter mit strenger Miene.
„Nachdem er mich über viele Tage angewiesen hatte und mir stetig neue Finten, Paraden und Ausfälle gezeigt hatte, schien er plötzlich den Verstand zu verlieren. Aus einem Übungskampf wurde plötzlich blutiger Ernst“, gestand Lars. „Ich glaubte, dass Odins wilde Wut in meinen Lehrer gefahren sei, wie es gelegentlich bei Ragnar oder Björn geschieht, wenn die kämpfen. Er deckte mich mit einem wahren Gewitter von Schlägen ein, die ich kaum abwehren konnte. Immer wieder durchbrach er meine Deckung und brachte mit kleine Verwundungen am ganzen Körper bei. Und da...“
„Na, was dann?“ fragte Harald gespannt.
„Da spürte ich, dass es um mein Leben ging und wusste, dass ich ihn kampfunfähig machen musste, wollte ich nicht seinem Berserker-Rausch zum Opfer fallen. Also griff ich ihn am wie einen Feind und es gelang mir, zwischen zwei Paraden seine Deckung zu durchbrechen. Ich stieß ihm die Spitze des Schwertes durch den rechten Oberarm, damit er die Waffe fallen lassen musste. Aber kaum hatte ich mein Schwert aus der Wunde gerissen, geschah etwas Merkwürdiges.“
„So?“ Der Drachenreiter grinste.
„Sigurd ließ das Schwert fallen, brüllte vor Lachen, umarmte mich und schrie immer wieder Ich bin tot! Ich bin tot! Jetzt hast du die Kunst des Schwerter-Tanzes gelernt!“
Das Grinsen des Steuermanns wurde immer breiter. Er wusste nun, das Lars von Sigurd geprüft worden war und jetzt seine Lehrzeit als Schwertkämpfer hinter sich hatte. Nun begannen die Lehr- und Wanderjahre eines Gesellen als Wikinger. Wenn er die überlebte, dann konnte er sich in Greisentagen Meister des Schwertes nennen. Je berühmter ein Kämpfer wurde, umso mehr waffenkundige Gesellen traten ihnen entgegen, um durch einen Sieg nicht nur die Waffe, sondern auch den Ruhm zu erben, aber mit jedem Gegner, der sich
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