Die Flammen von Lindisfarne
hatte.
„Aber ich wollte nur die Zelle säubern...“, stieß Angela von York aus. „So hat es der Abt geboten...“
„Dazu brauchst du ein Schwert und eine Axt?“ fragte Erik gemütlich. Das leise Klirren des Metalls, als sich das Mädchen unter der Bettstelle hervor schob, war nicht zu überhören gewesen. Und kaum stand Angela mit bebendem Körper, die von außen fest verriegelte Tür im Rücken vor ihm, als er die beiden Waffen unter der Pritsche hervorzog. Nach weiterer Suche fand er ein größeres Bündel, in dem verschiedene, eilig zusammengeraffte Lebensmittel verschnürt waren.
„Du wolltest fliehen?“ fragte Erik und ließ sich auf dem Schemel vor seiner Gebetsbank nieder. Das Mädchen nickte stumm.
„Das ist Narretei“, erklärte der Mönch.
„Du...du sagst Narretei...und redest nicht von Sünde?“ Angela von York war verwirrt.
„So würden die anderen Brüder reden - und so werden sie reden, wenn sie uns hier so finden“, über Bruder Eriks Gesicht fiel ein düsterer Schatten. „Sie werden glauben, dass ich mein Mönchs-Gelübde gebrochen habe und wir gemeinsam fliehen wollten.“
„Aber ich werde alles erklären“, brach es aus Angela hervor. „Ich musste die Sachen hier nur so lange verbergen, bis der Abend über das Land fiel. Wenn du dann mit den Brüdern zur Vesper in die Kirche gegangen wärst, hätte ich die Flucht gewagt. Die Mönchszellen sind nicht abgeschlossen. Und ich hätte die Dinge, die ich mir für meine Flucht beschafft...“
„...gestohlen...“ verbesserte Erik.
„...nun, dann eben gestohlen hatte, ergriffen und die Nacht hätte meine Flucht mit ihrem schwarzen Schleier zugedeckt. Mit einem der Fischerkähne hätte ich das Festland erreicht und mich nach London durchgeschlagen.“
„Weit wärst du in diesen unsicheren Zeiten gewiss nicht gekommen“, versetzte Bruder Erik. „Das Land wimmelt von Räubern adligen Stammes wie von gewöhnlichen Halunken. Weißt du, was die mit einer Frau machen?“
„Ich werde mich zu wehren wissen“. sagte Angela mit fester Stimme und ergriff das Heft des Schwertes. Die Art, wie sie die Klinge einige Male trotz der Enge der Zelle schwang zeigte dem einstigen Nordmann, dass sie in der Lage war, die Waffe zu führen und sich damit notfalls mehr als einen Angreifer vom Leibe zu halten. „Mein Vater wollte immer einen Sohn und lehrte mich Waffen zu führen, bis ihn meine Mutter dann an das Gelübde erinnerte und er mich unter die Obhut...nein, für mich war und ist es ein Zwang...der ehrwürdigen Mütter vom Orden der heiligen Scholastika geben musste.“
„Und du denkst, dass eine Nonne unbemerkt das Land bis London durchwandern kann?“ Bruder Erik war belustigt.
„Nicht als fromme Schwester“, sagte Angela und löste den Stick, mit dem ihr Gewand zusammen gehalten wurde. Erik hielt den Atem an, als das Kleidungsstück der Novizin zu Boden glitt und er erkannte, dass sie ein graugrünes Wams darunter trug. Es war schmucklos wie eine Tunika geschnitten, wurde von einem breiten Gürtel gehalten und endete mehr als eine Handbreite oberhalb der Knie. Wären ihre langen Haare nicht, konnte sie aus der Entfernung für einen Jüngling gelten.
„Ein passendes Beinkleid wollte ich mir noch beschaffen“, sagte Angela etwas verschämt und versuchte, den Stoff des Wamses weiter hinunter zu ziehen, während der ehemalige Wikinger mit sichtlichem Interesse den lange entwöhnten Anblick genoss.
„Wenn die Räuber dich gepackt hätten“, sagte er sinnend und dachte an vergangene Zeiten.
„Sie hätten mich auf keinen Fall in einem Kloster versauern lassen, wie mein Vater es wollte“, entgegnete Angela. „Die Welt ist zu schön, als dass ich es ertragen könnte, nur graue Steinmauern zu sehen und den ganzen Tag Gebete zu plärren. Ich will leben...leben...leben...!“
„Das hast du dir verscherzt, indem du die Waffen aus der Rüstkammer unserer Knechte entwendet hast. Dazu kommt, dass du eine dem weiblichen Geschlecht mehr als unziemliche Kleidung trägst“ sagte Erik streng. „Mir als einem ehemaligen Wikinger wird man nicht glauben, dass ich dir nicht geholfen habe, deine Flucht zu planen.“
„Was wird man mit uns machen?“ fragte Angela verwirrt. So wie ihr der Alte ihre Situation klar machte, hatte sie sich die Sache noch nicht vor Augen geführt.
„Ich denke, sie werden über uns zu Gericht sitzen und uns als Ketzer und Apostaten des
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