Die Flammen von Lindisfarne
verehrst.“
„Es ist mein Gott...wie es der deinige ist“, die Stimme des Abtes kam brüchig und der Schatten des Todes lag über seinem Gesicht. „Du weißt es nicht...aber eines Tages wirst du es wissen. Er ist dein Vater...“
„Ja, ich weiß, dass ich der Sohn Odins bin“, nickte Lars. „Hier, sieh diese Runen auf meinem Amulett. Die heiligen Zeichen, die Odin selbst ritzte, nachdem er mich gezeugt hat.“ Und er hielt dem Sterbenden den Thorhammer vor.
Auf dem Antlitz des Todgeweihten malte sich erst Verwunderung. Doch dann, als er die geheime Anordnung der Buchstaben erkannte, glitt ein freudiger Schimmer darüber.
„Suche den...der diese Zeichen schrieb...“, murmelte der sterbende Abt. „Finde ihn... und wenn du vor ihm stehst, findest du meinen... deinen... unseren Gott...“
„Rede, Alter“, stieß Lars aufgeregt hervor. „Diese Runen...“
„Suchet, so werdet ihr finden...“, kam es leise über die Lippen des Abtes und dann ganz klar und deutlich: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Dabei schien sich der Körper noch einmal krampfhaft aufzubäumen, um dann in die Arme von Lars Wolfssohn zurück zusinken. Klirrend entfiel das Schwert, um das sich deine Hand unbewusst gekrallt hatte, zu Boden. Kraftlos sank die andere, die das Kreuz hielt, auf seine Brust.
Bernhard von Whitby, der Abt des Klosters Lindisfarne, war tot.
Sanft ließ Lars Wolfssohn den entseelten Körper zu Boden gleiten.
Lars bettete den toten Abt auf den Altar und faltete seine starr werdenden Hände um das Kreuz. Die brennenden Kerzen stellte er vor ihn hin. Dann schob er das Schwert und den Sachs zurück in die Scheide und hob den massigen Körper Wulfegars empor. Keuchend trug er den toten Sachsen aus der Kirche.
Im gleichen Augenblick dröhnten Hammerschläge gegen die kleine Tür, die zur Sakristei führte. Rangnar, der Hammer, war in seinem Element. Und da ihm die Gefährten wehrten, seinen Hammer weiter auf die kahlen Schädel der künftigen Sklaven von Ringan fallen zu lassen, zerschlug er alles, was ihm den Weg versperrte.
Eben noch hatte er im Skribtorium gehaust und die Schreibpulte zertrümmert, während Thorsten Elchnase interessiert die Pergamente mit den vielen unbekannten Runen beäugte. Aus einem anderen Teil des Klosters klang der fröhliche Schrei Björn Baumfällers, der den Keller gefunden hatte, in dem die Fässer mit den Messwein aufbewahrt wurden. Ein Lied zu Ehren Odins grölend, wankte er durch den Kreuzgang. Auf seinen Schultern trug der kräftige Nordmann eins der Fässer, aus dessen halb geöffnetem Spund die süß-duftende Flüssigkeit tropfte.
„Hier! Koste mal!“ rief er er Nils Krähenfuß zu, der eben in der Küche verschiedene Metallschüsseln und Messer zusammen raffte. „Die Christen saufen Saft, der wie Blut aussieht. Aber schmecken tut der...“
„Sicher das Blut ihres Gottes, von dem uns Wulfegar erzählt hat“, gab Nils zurück.
"Dann scheint sich ihr Gott von Honig zu nähren“, grunzte der Baumfäller, während sich Nils mit ausgestreckter Zunge unter das auslaufende Fass stellte. Mit verdrehten Augen und schmatzender Zunge langte er in eins der Gefäße.
„Wenn mir die Kreuzpriester glaubhaft versichern, dass es in ihrer Himmelsburg dieses Gottesblut zu trinken gibt, dann werde ich Christ!“ sagte der Krähenfuß und öffnete den Spund so weit, dass der schwere Wein sein Gefäß füllte.
Während er mit seiner Axt die Truhen und Schränke der Küche zerlegte dachte Nils Krähenfuß darüber nach, dass Menschen, die so ein herrliches Gesöff zu bereiten wussten, nicht unbedingt mit den Mächten des Bösen in Verbindung stehen konnten.
Währenddessen hatte Björn den Weg eingeschlagen, den ihm die röhrende Stimme des Hammers wies. Er fand Ragnar mitten in der Kirche mit einer gewissen Scheu vor dem Altar stehen, auf dem Lars den toten Abt aufgebahrt hatte.
Von draußen klang das Blöken der Schafe und das Geschrei der Rinder, die von den Wikingern zum Strand getrieben wurden. Dort wurden sie geschlachtet, um das Fleisch und die wertvollen Häute mitzunehmen.
„Der Sachse hat gelogen“. röhrte der Hammer. „Hier sind keine Heerscharen des Christengottes, die wir bekämpfen müssen. Wenn die Asen mit diesen Jammerlappen, die sich Christen nennen, nicht fertig werden, dann sind es auch keine Götter. Keiner hat sich gewehrt, obwohl ich jedem zurief, dass er um sein
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