Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
Vom Netzwerk:
gezerrt. Genasen sie von ihren Wunden, würden sie gute Sklaven abgeben.
     
    Baubo zitterte um sein Leben. In Todesangst lief der alte Knecht durch den Kreuzgang. Zwei andere Greise, die in der Klosterküche durch leichte Arbeit ihr Gnadenbrot aßen, rannten angst-gepeinigt hinter ihm her. Der ganze Kreuzgang, einst eine Stätte des Gebetes und der Inneren Einkehr, hallte wieder vom Donner der Äxte, die von den plündernden Nordmännern gegen die verschlossenen Türen der Mönchs-Zellen gedroschen wurden.
     
    Am Ende des Ganges wusste Baubo einen Raum, der durch eine besonders feste Tür gesichert war. Aber der alte Mann hatte auf seiner Flucht durch das Arbeitszimmer des Abtes den mächtigen Schlüsselbund gefunden, der jede Tür im Kloster öffnete. Ganz sicher war an diesem Bund auch der Schlüssel für die Tür zur kleinen Schatzkammer dieses heiligen Ortes. Der Raum, wo die Gaben der frommen Wallfahrer und Bittsteller aufbewahrt wurden. Denn viele Pilger hatten hier in den vergangenen einhundertfünfzig Jahren an den Gräbern von Sankt Cuthbert und Sankt Aidan gebetet und dem Kloster kostbare Geschenke an reich verzierten, goldenen Sakral-Gegenständen und anderen Kostbarkeiten gemacht.
     
    Auch bewahrte man hier die kostbaren Messgewänder auf, die für Kirchenfürsten bereit lagen, damit sie in geziemender Gewandung die Messe in der Abteikirche lesen konnten. Meistens wurden sie genutzt, wenn der Bischof von York selbst für einige Tage nach Lindisfarne kam, um der drangvollen Enge der aufstrebenden Stadt zu entkommen.
     
    Erfreut schrie Baubo auf, als einer der Schlüssel passte und sich im Schloss drehen ließ. Mit leisen Kreischen schwang die schwere, mit Eisen beschlagene Tür, nach innen auf. Schnell waren einige Kerzenstumpfe entzündet. Unheimlich, flackerndes Licht erhellte spärlich den Raum und ließ geisterhafte graue Schatten an den Wänden empor wachsen.
     
    „Hier herein! Kommt schnell!“ stieß der alte Knecht hervor und die beiden Gefährten der Angst ließen sich das nicht zweimal sagen. Mit aller Kraft riss Baubo hinter ihnen die Tür ins Schloss und drehte den Schlüssel so oft es ging.
     
    Doch das Unglück wollte es, dass Olaf Metkanne, nach einem kleinen Imbiss in der Klosterküche in bester Laune durch den Kreuzgang schlenderte. Er pfiff ein Liedchen und wog die Axt in der Hand, als er zufällig den letzten der Greise in der Kammer verschwinden sah. Neugierig kam der Skalde näher und rüttelte an der Tür. Welche Beute mochte sich dahinter verbergen? Das man es wagte, ihm diese Tür zu versperren, ließ Olafs gute Laune sofort verfliegen.
     
    „Macht auf oder ich schlage euch mit der auf gerammten Tür den Schädel ein!“ brüllte der wohlbeleibte Nordmann in ungewohnter Wut. So sanftmütig Olaf Metkanne von Natur aus war, das vergossene Blut und das Sterberöcheln der erschlagenen Mönche hatte eine ihm vorher unbekannte Wildheit in seinem Inneren geweckt. Dazu kam, dass er dem Weg des Baumfällers gefolgt war und sich an einem der Weinfässer, die Björn gefunden hatte, mehr als ausreichend bedient hatte.
     
    „Aufmachen“, röhrte der feiste, pausbäckige Wikinger, „oder bei Odins Zorn...!“ Und schon trümmerte seine mächtige Streitaxt gegen die Türe.
     
    „Was tun wir, Baubo?“ zitterte einer der Greise. „Dieser Raum hat kein Fenster und wir sind gefangen!“
     
    „Wir geben dem Heiden alles Gold hier im Raum für unser Leben. Dann lässt er uns sicher laufen“, bebte es von Baubos Lippen.
     
    „Was nützt es, ihm etwas zu geben, was er schon hat, wenn er einmal hier drin ist?“ fragte der andere Alte zweifelnd.
     
    „Wir müssen es mit einer List versuchen“, hatte Baubo einen Einfall. „Diese Heiden sind abergläubisch und fürchten sich vor ihren eingebildeten Göttern. Wir werden die prunkvollen Messgewänder des Bischofs anlegen und jeder eine Mithra aufsetzen. Dann halten sie uns sicher für die Christengötter mit denen nicht zu spaßen ist und lassen uns laufen.“
     
    „Aber das ist eine schwere Sünde...!“ wagte der andere Greis einzuwerfen.
     
    „Diese Sünde wird uns der Herr in seiner Güte verzeihen“, gab Baubo zurück. „Los jetzt...!“ Und schon wühlte er in einer Truhe nach den kostbarsten Gewändern...
     
    In dem Moment, in dem die Greise nach den Gewändern wühlte erschienen Björn Baumfäller und Ragnar, der Hammer. In ihren Gürteln schwangen zwei Schwerter, die sie in einer Kammer gefunden hatten. Dazu hatte

Weitere Kostenlose Bücher