Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
Vom Netzwerk:
wusste.
     
    „Ihr verehrt Odin und wisst es nur nicht“, stieß Lars nach einer Weile hervor.
     
    „Nein, ihr verehrt Jesus Christus, der mit Gott, dem Vater und dem heiligen Geist in alle Ewigkeit lebt und herrscht. Aber ihr wisst es nicht“, gab Abt Bernhard zurück.
     
    „Genug geredet“, stieß Lars hervor, der merkte, dass er mit Worten gegen den alten Mann nicht weiter kam. „Hier stehe ich im Namen Odins, den die Christen bekämpfen. Nun ergreife du deine Waffe, um mir zu zeigen, dass dein Christus stärker ist!“
     
    „Du siehst die Waffe der Demut in meiner Hand“, gab der Abt zurück. „Und du hast die Waffe des Wortes gespürt.“
     
    „Aber Worte und ein Stück Holz, das ist keine Waffe!“ schrie Lars ärgerlich. „Hier, nimm das Schwert!“ Klirrend warf er Schneefall vor Bernhard hin. „Du bist der Ältere und ich gebe dir den Vorteil. Ich werde mit dem Scrama-Sachs nach Art meiner Ur-Väter kämpfen.“
     
    Bernhard rührte sich nicht. Nur ein fast unhörbares Gebet drang über seine bebenden Lippen.
     
    „Kämpfe, Christ, oder bei Odins Zorn...!“ brach es aus Lars hervor und drang mit gezücktem Sachs auf den Abt ein, doch Bernhard von Whitby blickte unverwandt auf das erhobene Kreuz in seinen Händen. Er war wie entrückt und schien den jungen Wikinger überhaupt nicht mehr wahr zu nehmen. Der Knauf des Schwertes lag unmittelbar vor seinen Füßen, ohne dass er sich nach der Waffe bückte.
     
    „Kämpfe...kämpfe...kämpfe...!“ heulte Lars und versuchte, durch Brüllen und stetige Scheinattacken den alten Mann zum Kampf zu reizen. Im gleichen Augenblick griff eine harte Hand seine linke Schulter. Lars wurde mit aller Gewalt herumgerissen und starrte in das wutverzerrte Gesicht Wulfegars. Roter Lebenssaft triefte von der Schneide seines Sachs und zog eine rote Spur durch den Mittelgang der Kirche.
     
    „Fort, Wolfssohn! Weiche meinem Wege und lerne, wie man Christen tötet!“ schrie der Sachse und schleuderte Lars mit solcher Kraft beiseite, dass er zwischen das Chorgestühl stürzte.
     
    Einen Augenblick später hörte er einen schmerzhaften Seufzer. Aufspringen erkannte er, dass Wulfegar dem wehrlos vor ihm stehenden Abt den Sachs in den Leib gerammt hatte. Eben zog er die Waffe zurück und ein Blutstrom schoss aus der Wunde.
     
    Seiner selbst nicht mächtig taumelte Bernhard von Whitby zwei Schritte nach vorn. Dabei glitt er aus und trat auf den Knauf von Lars Wolfssohns Schwert. Durch die Hebelwirkung wurde die Klinge emporgerissen. Im gleichen Augenblick glitt der Sachse auf dem Blut, das aus der Wunde des Abtes spritzte, aus und torkelte nach vorn über.
     
    Bevor sich Wulfegar wieder fangen konnte, stolperte er der Spitze des auf ihn zu schnellenden Schwertes entgegen. Das Schicksal trieb Schneefalls Klinge tief hinein in die linke Brust. Das Gesicht in ohnmächtigem Hass verzerrt und mit einem entsetzlichen Fluch auf den Lippen brach der Sachse zusammen.
     

„Der Christengott...er ist lebendig...er hat seinen Diener gerächt“, stieß Lars brüchig hervor. Wenige Lidschläge später lief er hinüber zu Wulfegar und erkannte, dass bereits der Schatten des Todes über seinem Gesicht lag. Schneefall war ihm ins Leben gefahren. Der Sachse knirschte mit den Zähnen und wand sich vor Schmerzen. Mit äußerster Anstrengung versuchte er, den Sachs zu erreichen, der seiner Hand entfallen war.
     
    Ein kurzer Griff und Lars drückte ihm die Waffe in die Hand. Da ging ein Leuchten über Wulfegars Gesicht. Er glaubte, durch den Tod des Priesters die erschlagenen Sachsen gerächt zu haben und nun mit dem Schwerte in der Hand ins Reich seiner Götter zu fahren.
     
    „Dank dir, Wolfssohn, für die Waffe, die den Weg mir weise zu Wotans Walhalla...“ flüsterte er mit ersterbender Stimme. Ein letztes Zucken der mächtigen Glieder und der gewaltige Sachse war tot.
     
    Ungerührt erhob sich der junge Wikinger. Wulfegar war wie ein Nordmann gestorben. Und nur das zählte. Drei Schritte weiter vernahm Lars die Sterbegebete des Mönches. Mitleidig kniete sich der junge Wikinger neben den Todgeweihten und stützte seinen Kopf empor. Dann schob er ihm das Schwert, das aus der Todeswunde des Sachsen wieder herausgeglitten war, in die Hand.
     
    „Du hast mit dem Mut eines Kriegers ohne Waffe gekämpft“, sagte er mit Bewunderung in der Stimme, „Also sollst du auch mit dem Schwert in der Hand sterben, damit du zu Odin gelangst, den du unter einem anderen Namen

Weitere Kostenlose Bücher