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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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von Norwegen, das man allgemein als Odins heiligen Hain bezeichnete, lag vier Tagesreisen vom Ringan-Fjord entfernt, wenn man zu Fuß und mit Gepäck marschiert. Der Tage Wanderung auf der Einöde des hohen Felsplateaus, auf dem zwar reichlich Gras für die Zugtiere gedieh, dass aber sonst rau und lebensfeindlich war. Die kaum zu erkennenden Wege führten durch undurchdringliche Wälder und über den tückischen Boden schwammiger Moore, der durch Knüppeldämme auf starken Fichtenstämmen begehbar gemacht wurde.
     
    Das große Areal des Heiligen Hains war eine Art Bannwald, in der teilweise Eichen für Thor, Eschen für Odin, Linden für Frigga oder Eiben zu Tyrs Ehren angepflanzt waren. Verschiedene Quellen spendeten kristallklares Wasser. Im Zentrum des Haines war der Thingplatz, ein freies Feld umgeben von den heiligen Buchen, von deren fruchttragenden Ästen man die Hölzer schnitt, in die Ruwala, Hrolf Silberhaar und andere Kundige die Runen schnitten, mit denen die Zukunft des Einzelnen wie ganzer Völker befragt werden konnten.
     
    Auf dem Thingplatz erhob sich ein Weihestein, auf dem Erntegaben wie auch Schlachtopfer dargebracht werden konnten. Dieser Weihestein war riesiger Findling, in den vor Generationen schon halb verwitterte Runen eingeritzt wurden. Daneben war eine große, steinumrundete Feuerstelle, auf der man Wasser im Kessel sieden konnte, in dem das Opferfleisch gekocht wurde. Allgemein jedoch wurden die Opfergaben, lebendig oder tot, einfach in die Bäume gehängt. Hier hingen kostbare Beutewaffen neben den Unglücklichen, die das Los bestimmt hatte, zu Ehren der Götter zu sterben und deren Schreie oft tagelang dein Hain durch-zitterten.
     
    Hinter dem Weihestein wuchs die riesenhafte, viele hundert Jahre alte Gerichtseiche empor, unter der zu Rate gesessen und Recht gefällt wurde. Auf dem die Eiche umgebenden Thingfeld standen die Bäume spärlicher. Doch war für genügend Schatten gesorgt, wenn sie die Thing-Gemeinschaften ganzer Gaue zu den Ritualen verschiedener Feste lagerten.
     
    Etwas außerhalb des Haines aber lag der Bezirk, in dem die heiligen Pferde heran wuchsen. In Zeiten der Not oder an den Tagen der Sonnenwende verstand es Hrolf Silberhaar, aus ihrem Stampfen und Schnauben die Zukunft voraus zu sagen. Doch dieses Orakel bezog sich auf das ganze Land und nicht nur Jarl Haakon versuchte vergeblich, etwas über die Zukunft von Ringan zu erfahren.
     
    Mehr als zwanzig Thing-Gemeinschaften aus dem südlichen Teil von Norwegen waren erschienen und die Umgebung von Odins heiligem Hain glich einem Heerlager. Doch es war Thingfrieden geboten worden und die Fronboten waren überall unterwegs, den kleinsten Frevel sofort zu bestrafen. Wer hier Blut vergoss, dem ging es an die Hand oder ans Haupt.
     
    In diesem Jahr war Thorin Wogenbrecher, der Seekönig, von Hrolf Silberhaar gerufen, selbst in Odins heiligem Hain erschienen. Mit seiner Autorität sollte er verhindern, dass während der heiligen Zeremonien wieder tödliche Feindschaft zwischen zwei Thing-Gemeinschaften entbrannte. Der alte Seekönig strahlte, als er hörte, wie Hrolf Silberhaar die Bewegungen der in ihrer weit gefaßten Hürde freilaufenden Pferde deutete.
     
    „Odins heilige Rosse liefen nach allen Seiten auseinander, die Steine, die ihre Hufe trafen, versprühten Funken“, erklärte der Priester. „So wie die Rosse, so werden die Wikinger Norwegens in alle Welt aus-schwärmen und alles so niederwerfen, wie die Hufe der Rosse Gras und Steine zertraten. Nichts wird ihnen widerstehen und Feuer wird aufflammen, wohin sie ihren Schritt lenken.“
     
    „Aber einer der Hengst lief nicht mit und blieb stehen“, bemerkte der Seekönig. „Ein herrliches schneefarbenes Tier mit weiß-wallender Mähne. Hoch stieg es empor und sein grelles Wiehern rief alle Pferde zurück. Dem Ruf ihres Gebieters folgend scharten sie sich um ihn.“
     
    „Ich habe es gesehen und gedeutet“, nickte Silberhaar bedächtig. „Der Name dieses Hengstes ist Harald und du warst der Helfer seiner Geburt. Du erinnerst dich?“
     
    „Es sind mehr als fünfzehn Sommer über dieses Land gezogen, seit das geschah“, sagte der alte Seekönig sinnend.
     
    „Ein König wird entstehen aus deinem Geschlecht, Thorin Wogenbrecher“, orakelte Hrolf Silberhaar. „Ein König, dessen Kraft und Stolz man rühmen wird und von dessen Haar man reden wird. Schönhaar... jaja... Harald Schönhaar. So wird man deinen Enkel nennen. Er wird die Macht der Jarle

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