Die Flammen von Lindisfarne
brechen und Norwegen unter einer Königskrone vereinigen...“
Dann schwieg der Odinspriester und war durch keine Bitte zu bewegen, weiter zu reden. Aber was der Wogenbrecher gehört hatte, genügte ihm eigentlich. Sein Enkel würde das Werk vollenden, das er in aller Heimlichkeit schon begonnen hatte. Das Alter hinderte ihn, dieses Werk fortzusetzen. Mochten also die stolzen Jarle sich noch als Gaukönige fühlen - ein Harald Schönhaar würde sie, wenn der Tag gekommen war, gewaltsam in einen Königsreif ein-schmieden.
Auch das Fest der Sommersonnenwende dauerte zwölf Tage. Jeder Tag war einem der hohen Asen besonders geweiht. Das gesamte Volk war aber nicht bei jeder rituellen Feier anwesend.
Rings um den heiligen Hain waren in weitem Bogen Zeltdörfer entstanden, in denen die einzelnen Thing-Gemeinschaften während der Tage hausten. Das notwendige Gepäck war während des oft tagelangen Marsches meist auf kleinen, zweirädrigen Karren oder Wagen transportiert worden, in denen während des Aufenthalts die Alten und die kleinen Kinder übernachteten. Die Karren wurden selten von den kleinen Pferden gezogen. Meist spannte sich der Bauern und seine starken Söhne selbst ins Zuggeschirr, da Pferde meist Eigentum der ganzen Thing-Gemeinschaft waren.
Zwischen den einzelnen Lagern hatten von weit her anreisende Händler ihre Marktstände aufgerichtet und die Wikinger-Frauen versuchten Felle, Webstoffe und kleine Dinge ihrer Handarbeiten gegen begehrenswerte Gegenstände aus dem Süden einzutauschen.
Diesmal wurden die Frauen von Ringan von allen beneidet, denn die hatten kleine, runde Scheiben aus einem Metall, das wie die Sonne glänzte. Für eine solche Scheibe gaben die Händler alles, was verlangt wurde. Die Kaufleute jedoch rieben sich die Hände, dass ihnen die unwissenden Barbarinnen Goldmünzen gegen einfachen, billigen Tand gegeben hatten. Goldmünzen, die man in einer Schatulle aus der Schatzkammer von Lindisfarne gefunden hatte und die Jarl Haakon großzügig unter die Frauen verteilen ließ, damit sie sich die eigentlich nutzlosen Scheiben als Halsschmuck umhängen konnten.
So war der Markt der Sonnenwende ein Treffpunkt, wo sich die Frauen der einzelnen Thing-Gemeinschaften auch untereinander kennen lernten, ihre Schwätzchen hielten und jede Art von Neuigkeiten austauschten. Dort entstehende Gerüchte konnten weitreichende Folgen haben und kleine, hinter der Hand geflüsterte Geheimnisse waren so sicher, als hätte man sie durch einen Heer-Rufer ausposaunen lassen.
Gelegentlich wurden hier von den Frauen auch Hochzeiten der Kinder vornehmer Familien angebahnt. Aber vergeblich suchte Wiltrudis nach einem Mädchen, das in Lars die Gefühle für Angela zum Erlöschen brachte. Niemand der stolz-herben Schönheiten der Fjorde wies das strahlende Wesen und den Liebreiz dieses Mädchens auf. So vergingen die Festtage wie im Fluge.
Jeden Morgen riefen feierliche Lurenklänge den Namen des Asen aus, dem dieser Tag besonders geweiht war. Die Männer, die durch ihre Tätigkeit unter dem besonderen Schutz dieses Gottes standen, folgten dem Ruf und eilten zu den liturgischen Handlungen im Hain. Den größten Zustrom hatte selbstverständlich das Fest Thors. Denn der Hammergott war nicht nur der Schutzherr der Schmiede, sondern auch der Patron der der Bauern. Fast jeder Wikinger ernährte sich und die seinen hauptsächlich von karger Landwirtschaft und wollte nicht versäumen, Thor noch einmal um genügend Regen für die aufsprießenden Saaten zu bitten.
Auch wenn Freyers Fest begangen wurde, erschien eine große Zahl von Männern. Denn der gutmütige Wanengott aus dem Meer, der nach Odins Willen unter den Asen in Walhall wohnte, war der Schutzpatron der Fischer. Und selbstverständlich wollte sich jeder Nordmann mit ihm gut stellen, dass er ihm die reichen Fischschwärme zu trieb und ihn vor Sturmes-Not bewahrte.
Am Tage von Forseti, dem Asen der Rechtsprechung und der Gerichte, tagten unter Vorsitz des Seekönigs nur die Jarle und ihre Stellvertreter im Hain, um strittige Fragen des ungeschriebenen Volksrechts zu klären. Das Fest Bragis, des Herrn der Dichtkunst und des Lehrers von Gesang und Saitenspiel sah die Skalden in fröhlichem Wettstreit. In diesem Jahr entschied ihn Erik Lautenschläger für sich, weil dem voll tönenden Klang seiner keltischen Harfe und seiner an gregorianischen Chorälen geschulten Stimme kein gleichwertiger Gegner gegenüber stand.
Am
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