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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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Mistelzweig in die Brust. Ein dicker Blutstrahl schoss hervor, denn hinter dem Mistelzweig hatte der Priester den scharf geschliffenen Opferdolch verborgen.
     
    „ Wehe, weint um Walhalls Wonne! Balder bannt nun Helheims Halle! Sinkende Sonne und nahende Nacht wechseln im Wandel der Welt! “ rief Hrolf Silberhaar laut in die aufstöhnende Menge. Während die Todeszuckungen des Fohlens erstarben, weinten die sonst so harten Wikinger über den Tod des lichthellen Balder.
     
    Bald war das Fleisch des Fohlens verzehrt und nach einer Weile wischte man sich die Blutzeichen von der Stirn. Nun, nachdem das Feuer erloschen war, galt es ein Freudenfest zu feiern.
     
    Nach dem Glauben des Nordens wird der lichthelle Balder nach der Götterdämmerung und dem Untergang des Riesengeschlechts und der Asen von den Toten auferstehen, um eine neue Erde und einen neuen Himmel zu schaffen. So war es üblich, dass nach der traurig-ernsten Opferfeier in fröhlicher Ausgelassenheit die ganze Mittsommer-Nacht hindurch gefeiert wurde.
     
    Diesmal galt es vor der Feier noch eine besondere Zeremonie durchzuführen. Jeder der Anwesenden in Odins-Hain wusste, dass der älteste Sohn des Jarl von Ringan heute in Friggas Ring treten würde, um die stolze Tochter des als Held gestorbenen Sachsen-Fürsten Wulfegar zu freien und als Eheweib heimzuführen.
     
    Während die Frauen unter Anleitung von Ruwala, der alten Priesterin, aus starken Zweigen von Friggas heiligem Lindenbaum der heilige Kreis vor dem Altar auf dem Weiheplatz abgesteckt wurde, sammelten sich im Lager außerhalb des Haines die Brautzüge.
     
    Thursula trug ein Gewand aus schneeweißem Leinen, das von einem mit Goldfäden bestickten Gürtel gehalten wurde. Der weiße Umhang, der über ihre Schultern wallte, war über und über mit den aufgenähten Federn des wilden Schwans verziert. Um den Hals wie um die Handgelenke trug sie fein ziselierten Schmuck aus polierter Bronze und das Haar wurde von einem Kranz aus Lindenblättern durchflochten.
     
    Angela zitterte am ganzen Körper, als man ihr einen Platz in Thursulas Ehrengefolge anwies. Wie schon einmal hatte die stolze Sächsin Lars Wolfssohn dazu bestimmt, ihr Brautführer zu sein. Eine Ehre, die abzuschlagen die gröbste Beleidigung war.
     
    Mit steinernem Gesicht ergriff der junge Wikinger die Hand der verführerisch-schönen Frau  und vermied es krampfhaft, Angela in die Augen zu sehen. Während der Brautzug vom Ringan-Lager außerhalb des Haines in feierlichem Schritt dem Ritualkreis zustrebte, wo Ruwala, mit brüchiger Stimme ein frommes Lied singend, Friggas heiligen Kreis einsegnete, war Angela im voran Schreiten im stillen Gebet versunken.
     
    Das Leben unter dem Zwang dieser Frau war ihr unerträglich und sie sehnte den Tod herbei. Den Tod, der sie ganz sicher ereilte, wenn sie bei einer der heidnischen Zeremonien ihren christlichen Glauben bekannte.
     
    Als sie nun die Stätte betraten, wo Thorleif und Thursula vor dem versammelten Volke die Hände ineinander legen und sich ewige Treue geloben sollten, wurde Agnela von York klar, wie sie es anstellen wollte, dass man sie tötete. Vor dem heiligen Baum hatte man zwei mannshohe, roh gehauene Bildsäulen gestellt, in deren Mitte die uralte Runenpriesterin in schneefarbenem Gewand und mit Mistelzweigen bekränzt, auf die Brautleute wartete. Diese Bildsäulen, das konnten nur die Idole ihrer Heidengötter sein. Wenn sie diese umstürzte und dafür den Tod erlitt, dann musste man sie einfach in die Seligkeit des Himmel-reiches einlassen.
     
    Während Thursula an Lars Wolfssohns Hand mit ihrem Gefolge von Ehrenjungfrauen durch die Reihen der staunenden Frauen schritt, führte Hrolf Silberhaar zusammen mit Jarl Haakon den Bräutigam heran. Thorleif hatte sich prächtig aufgeputzt. Sein Wams war aus feinem Marderfell und die mächtige Schnalle seines handbreiten Gürtels aus polierter Bronze stellte den Schädel eines dem Donnergott heiligen Widders dar. Das sternenförmige Amulett aus glänzendem Gold auf seiner Brust war einst in Lindisfarne eine Monstranz gewesen. Als Umhang über die Schultern trug er eins der prächtigen Messgewänder aus der Schatzkammer. Das massige Haupt mit dem zottigen Haar krönte ein Kranz aus Eichenlaub.
     
    Geführt vom Odins-Priester und Lars Wolfssohn traten Braut und Bräutigam in den abgesteckten Kreis vor Ruwala hin, die ihre Hände ineinander legte.
     
    „Odin und Frigga, ihr hehren Hohen, seht durch das Holz der heiligen Bilder

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