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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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andauern!“
     
    „In den Baum mit ihr! Es ende Gelage und Gelächter!“ Hrolf Silberhaars Stimme klang metallisch. „Zerstört ist Friggas Freudenfest. Suche andere Zeit zur Freite, Knochenbrecher. Denn so lange Leben in diesem Mädchen weilt, ist Odins heiliger Hain ein Bannwald...!“
     
    Rohe Fäuste ergriffen Angela und hoben sie hoch, während junge Krieger, die ins Geäst der heiligen Eiche gestiegen waren, ihr geschickt die Schlingen um die Handgelenke legten. Dann zog man das Mädchen ungefähr eine Manneshöhe empor, so dass sie zwischen Himmel und Erde pendelte.
     
    Eine Zeit lang um-standen sie die Männer und Frauen der einzelnen Gaue und riefen ihr Flüche zu. Das Mädchen spürte ihre hasserfüllten Blick wie spitze Dolche in ihrem Körper. Sie erkannte Jarl Haakon, der Thorleif und Thursula mit sich zog und sah den letzten, höllischen Triumph in den Augen der Sächsin, als sie ihre Rivalin hier hilflos dem schrecklichen Tode geweiht hängen sah. Sie erblickte den immer noch ohnmächtigen Lars Wolfssohn, den Widar und Snorre unbehelligt davon trugen. Am Heben und Senken der mächtigen Brust erkannte Angela, dass ihr heldenhafter Beschützer den Hieb mit dem Speerschaft überlebt hatte.
     
    Zuletzt war Hrolf Silberhaar gegangen und hatte die greise Ruwala mit sich gezogen. Die Greisin hatte direkt unter der Bekennerin des Christentums die Runen geworfen und danach mit einem seltsamen Blick zu ihr hinauf gestarrt. Aber kein Wort war über ihre rissigen Lippen gekommen.
     
    Zu guter Letzt war Angela von York alleine mit ihrer Qual. Eine Qual, deren Schmerz durch keines ihrer Gebete gemildert wurde.
     
    Sie wusste nicht, wie lange sie schon in der Eiche hing. Aufkommender Wind ließ Angela frösteln. Ihre Arme brannten wie Feuer und ihre Handgelenke schienen wie von glühenden Steinen umgeben. Hilflos schwang sie, an den Armen mit starken Seilen festgebunden, an einem der ausladenden Äste der heiligen Eiche.
     
    Nein, ganz alleine war sie nicht. Nach einiger Zeit der Ruhe waren rauschende Flügelschläge zu vernehmen. Und bald darauf senkten sich schwarze Schatten zu ihr herab.
     
    Es waren die Raben, die hier als Odins heilige Vögel im Hain hausten und von Hrolf Silberhaar gefüttert wurden. Manchmal, wenn der Körper eines Erschlagenen oder eines Frevlers in die Bäume des Hains gehängt wurden, brauchte der Priester kein Futter zu streuen, weil die Raben für lange Zeit satt wurden.
     
    Entsetzt sah das Mädchen, wie sich mehr als fünf dieser schwarzen Gesellen auf den gegenüber liegenden Ästen nieder ließen. Geräuschvoll schärften sie ihre großen, schwarzen Schnäbel an der Borke und ihre dunklen Augen fixierten das wehrlos im Baum hängende Mädchen. Mit zwei anmutigen Flügelschlägen segelte einer der Raben zu ihr herüber und landete auf ihrem Kopf. Schmerzhaft bohrten sich die Krallen durch die Haare in ihre Kopfhaut. Vorsichtig pickte der Schnabel seitwärts durch das Haar und fand eins der Ohren.
     
    Angela kreischte auf, als sie erkannte, welches entsetzliche Schicksal ihr bevor stand. Wie hatte der Priester gesagt? Als Speise für die Raben sollte sie dort hängen.
     
    Nun beugte sich das schwarze Untier, von ihrem Schrei neugierig gemacht und fixierte ihre entsetzt aufgerissenen Augen, doch auf ihr angstvolles Gebet zu allen heiligen Nothelfern antwortete nur das heisere Krächzen von Odins schwarz gefiederten Vögeln.
     
                                                                                        *              *              *
     
    „Jetzt haben sich die Raben an sie ran gemacht!“ sagte Snorre kaltschnäuzig, als der Wind leise die gellenden Hilfeschreie aus dem Hain heran wehte. Wiltrudis war kreidebleich, hielt aber ihre Gefühle gut im Zaum. Das Lederzelt war abgebrochen und mit den anderen Habseligkeiten bereits auf dem Wagen verladen. Man war fertig zur Abreise nach Ringan.
     
    „Wenn sie Glück hat, hacken ihr die Raben so tief ins Gehirn, dass sie rasch stirbt“. brummte der Schmied, „Denn die Augen sind für Odins Lieblinge eine Delikatesse, mit der sie immer anfangen.“
     
    „Ich wollte, das Mädchen wäre im allgemeinen Aufruhr getötet worden“, sagte Wiltrudis. „Das wäre wenigstens schnell gegangen. Vielleicht hätte Lars sie dann schneller vergessen.“
     
    „Nun, sie war eine Närrin, die heiligen Bildsäulen umzustoßen“,

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