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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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drückte dem auf den Tod Getroffenen ein Schwert in die Hand, schlug mit der eigenen Waffe zweimal dagegen, dass es vor Odins allsehenden Raben einem Kampf glich. Doch dann erwies er dem Todgeweihten mit einem gut gezielten Stoß ins Herz die letzte Gnade. Denn so konnte er als Krieger nach Walhall einziehen und niemand von seiner Sippe würde für ihn die Blutrache fordern.
     
    Am zweiten Abend nach dem Kampf waren alle Männer, die im Kampf Wunden davon getragen hatten entweder tot oder wieder auf den Beinen. Die Beute war verstaut und die Schiffe hatten einen Tiefgang, der die Wasserlinie bis zu drei Handbreite unter den Ruderlöchern steigen ließ.
     
    Vor der Abfahrt nach Ringan galt es jedoch, den Gefallenen und Erschlagenen die letzte Ehre zu erweisen. Für die Toten des Kampfes hatte man aus rasch gefällten Stämmen ein mächtiges Floß gebaut, an dessen Bug der Drachenkopf eines der erbeuteten Langboote angebracht wurde. So hatte das Gefährt das Aussehen eines Schiffes, auf dem die Toten würdig nach Walhall fuhren, ohne dass man eines der kostbaren Beuteschiffe verbrennen musste. Ihre Waffen wurden den Gefallenen symbolisch mit nach Walhall gegeben, in dem sie die Stiele ihrer Äxte, die Schäfte ihrer Speere und die Scheiden ihrer Schwerter in den Händen hielten. Metall war zu kostbar, als das man es auf den Grund des Fjord versinken lassen konnte. In Glanzheim, wo Odins hochragende Walhalla steht, hütet man genug Waffen, um die Krieger damit zum Rüsten.
     
    Gemeinsam hatten Lars Wolfssohn und Widar Eisenfaust den toten Greis zu Tal getragen. Und als einige der älteren Ringan-Männer erkannten, dass der berühmte Sven Blutaxt sich anschickte, die letzte Wikinger-Fahrt anzutreten, da schuf man auf dem Schiffsfloß zwei Hochlager. Auf zerschrammten Schilden lag Frodin, von seinem grauen Mantel bedeckt, im Heck. Sven Blutaxt aber, die toten Finger um den Schaft des Wetterschlag gekrallt, war direkt hinter dem hochauf gebäumten Drachenschädel aufgebahrt worden.
     
    Widar hatte das Blatt der einst gefürchteten Blutaxt in den Gürtel geschoben. Man hatte ihn, der für die Sieger immer noch als Sklave galt, Lars Wolfssohn als geforderten Beuteanteil zugesprochen. Niemand fragte danach, ob er Widar nun als Sklaven oder als Freund behandelte. Dass er des Sklavenringes ledig war, nahm man achselzuckend zur Kenntnis. Aber als freier Mann galt Widar Eisenfaust erst, wenn sein Haar so lang gewachsen war, dass es auf den Nacken herab wallte. Denn das lange Haar war das Zeichen des freien Nordmannes. Nur den Sklaven und Hörigen schor man das Haar, um ihre Unfreiheit zu kennzeichnen. Denn wenn ein Sklave entlief, musste er fast ein Jahr als Tier unter Tieren im Walde leben, bis er den Menschen nicht mehr als flüchtiger Leibeigener auffiel. Ohne den Bronzering um den Hals und mit langem Haar aber würde Widar in einigen Monden als freier Ringan-Wikinger gelten.
     
    Am Abend des Sieges war das Totenschiff vollendet. Um die Hochlager von Sven Blutaxt und Frodin Graumantel waren die Gefallenen des Kampfes auf einer mächtigen Schicht Reisig gebettet worden. Einträchtig lagen Freund und Feind im Tode nebeneinander. Mit der lodernden Fackel in der Faust weihte Haakon Bärensprung der Toten Fahrt, während das Geheul der Frauen von den Hütten Grymgards wieder hallte.
     
    „ Höre, Loki! Lausche hierher! Lodernde Lohe umflamme die tapfren Toten! Im Bade des Brandes weise den kampfmüden Kriegern den Weg nach Walhalla, wo Walvater wohnet !“ rief der Jarl mit weihevoller Stimme.
     
    Dreimal ließ Olaf Metkanne das mächtige Stierhorn ertönen. Laut röhrte es über das Wasser des Fjord und schauerlich hallte das Echo des Horn-Rufs von den Felsen. Dreimal riefen die Männer Siegvaters Namen mit lauter Stimme in die Schilde, dass es grauenvoll durch die rasch niedersinkende Dunkelheit hallte. Dann stieß Haakon Bärensprung die Fackel an mehreren Stellen in das Reisig.
     
    Sofort lodernden die Brände empor. Loki, der Herr des Feuers, war dem Ruf gefolgt und ließ sein gelbrotes Element empor züngeln. Zurücktretend gab der Jarl Björn und Ragnar, den beiden stärksten Männern von Ringan-Fjord, ein Zeichen. Wie zwei Riesen der Urzeit traten die mächtigen Nordmänner zu den Stämmen und stießen das Gefährt vom Ufer ab. Bis zur Brust wateten sie ins Wasser und mit einem letzten, kräftigen Schub glitt das Totenschiff über das dunkle Wasser des Fjord. Der hochauf lodernde Brand zerriss die Schwärze der

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