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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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herabsinkenden Nacht.
     
    Hochauf gereckt stand Olaf, der Skalde, im Bug der „ SEEPFERD “. Seine Finger glitten über die Saiten seiner Harfe und seine helle Stimme klang über das Wasser und besang die Tapferkeit der gefallenen Krieger und die Herrlichkeit von Walhall ...
     
    Doch diese düstere Nacht nach dem blutigen Tag lag mehr als einen Mond zurück. Die wenigen gefangenen Männer beugten sich unter ihr Schicksal. Sie mussten Knechtsdienst verrichten und schwer arbeiten. Doch hatte man den Kriegern, die an der Schwäche der Wunden zu Boden gesunken waren und den Kampf aufgeben mussten oder jenen, welche durch die Übermacht überwältigt und gefesselt wurden, das lange Haar des Freien belassen. Nur der bronzene Halsreif bewies ihren unfreien Stand. Jarl Haakon war klug genug zu wissen, dass er diese Knechte nur zu bald als Verbündete benötigen mochte. Nur die Hohen von Asgard mochten wissen, wann sich feindliche Segel vor Ringan-Fjord zeigten auf der Suche nach Ruhm und Beute. Wer wusste, ob die Fäden der Nornen nicht bereits ein unentwirrbares Netz von Feinden um Ringan gewoben hatten.
     
    Den Ringan-Fjord galt als wohlhabender Gau im südlichen Norwegen. Auf einigen kleinen Inseln, die dem Fjord vorgelagert waren, sonnten sich nicht nur Seehunde, sondern in stetigem Wechsel auch junge Krieger. Trotz ihrer Waffenübungen hatten sie stets ihren Blick auf die Weite des Meeres gerichtet und jedes Segel, das sich dem Fjord näherte, wurde bei Tage durch das Winken mit einer Flagge, zur Nacht mit Feuerzeichen gemeldet. Ein Angriff, wie er auf Angantyr-Fjord gelang, wäre in Ringan unmöglich gewesen. Am Ufer des Fjord tummelten sich andere Jünglinge, die jede Nachricht von herannahenden Schiffen in rascher Stafette ausdauernder Läufer sofort nach Quillerheim weiter meldete. Seien es Händler oder Raubschiffe, stets empfingen sie die Wehrhaften der ganzen Thing-Gemeinschaft in Waffen. Denn Vorsicht war immer geboten, denn das Recht des Stärkeren regierte.
     
    Hart war das Leben hier oben im Norden. Wenig brachte die Arbeit auf den kärglichen Feldern zwischen den Felsen ein und in den kurzen Sommern gedieh kaum genug Gras, das magere Vieh über den Winter zu füttern. Da musste manche Thing-Gemeinschaft die Schiffe zur Raubfahrt rüsten, um dem Nachbarn das zu nehmen, was man selbst brauchte. Und jeder auch nur so geringe Anlass zu einem Rache-Krieg wurde zu einem Beutezug ausgenutzt.
     
    So hatte sich Haakon Bärensprung auch mit voller Berechnung den Vortritt zum heiligen Hain von Frodin nehmen lassen, weil er wusste, dass er aus dieser Beleidigung den Ansporn für seine Männer gewann, um Angantyr zu überfallen und zu plündern. Ansonsten hätte er mit der Kraft seiner Arme den alten Frodin bei seiner Vordrängelei aus dem Graumantel gehauen und die Angelegenheit wäre erledigt gewesen. Zum Glück für Haakons Thing-Gemeinschaft war Grymgard tatsächlich eine reiche Siedlung gewesen. Die Beute und die Tatsache, dass auch sehr viele Ringan-Männer gefallen oder ihren Wunden erlegen waren sorgten dafür, dass man in diesem Winter voraussichtlich keinen Mangel würde leiden müssen.
     
    Für einen Wikinger war es völlig selbstverständlich, dass sich der Stärkere nahm, was er brauchte. Deshalb war auch keiner der ehrenvoll gefangenen Knechte Jarl Haakon gram, dass er Grymgard mit Krieg überzogen hatte. Zumal der kluge Thing-Herr dafür gesorgt hatte, dass die Angantyr-Familien auch in der Knechtschaft so gut als möglich zusammenblieben und die überzähligen Frauen in den Hütten die Betten der jungen, ledigen Krieger seiner eigenen Thing-Gemeinschaft wärmten.
     
    Nur den drei Angantyr-Männern, die aus Furcht vor der Axt niedergekniet waren, schor man die Haare und ließ sie die niedrigsten Arbeiten verrichten. Die Waffe zu strecken, ohne vom Stärkeren überwunden zu sein, galt nach den Ehrbegriffen des Nordens als feige. Achtung gebührte nur dem Krieger, der mutig dem Feind entgegen trat und ihn im Kampf überwunden wurde. Ein Feigling dagegen, der aus Furcht vor Wunden oder Tod die Waffen wegwarf und sich ergab, wurde verachtet und galt weniger als ein altes Weib.
     
    Quillerheim lag am äußersten Ende des Ringan-Fjords. Man fuhr mit einem raschen Schiff unter Segeln mehr als einen halben Tag, bis man die Siedlung erreichte. Auch hier stieg hinter einem schmalen Küstenstreifen das Gelände aufwärts zu einem Plateau, von dem das eigentliche Siedlungsland der Bauern gebildet wurde. Der

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