Die Flammen von Lindisfarne
Rache an diesem Gottesfrevel zu rufen. Besonders aber entzündete sich der göttliche Funke der Rache in der Seele des tapferen Widukind. Aber nun sollte einstweilen seine Tochter berichten.“
„Dem Willen des geehrten Gastes entsprechend, rede ich, eine Frau, bei einem Feste der Männer!“ rief Wiltrudis in die Halle. Emporgehobene Methörner und ermutigende Zurufe dankten ihr diese Höflichkeit. In ihrem eigenen Hause war die Frau die Herrin, doch wo die Krieger ein Gelage begingen, hatten sie zu schweigen .
„Wie Wulfegar, der Spielgefährte meiner Jugend, bereits bezeugte, ist mein Vater Widukind, des Wittiches Sohn, der in jenen Tagen im Rate wie im Kampf die Stämme der Sachsen führte. Doch führte er meine Mutter niemals in den Hain Frickas, damit die Priesterinnen dort das Blumenband um ihre gemeinsamen Arme schlangen und aus kleinen Wunden am Arm Blut in den Becher träufelte, den Brautleute gemeinsam leeren. Denn meine Mutter war zwar die ehrbare Tochter eines gemeinfreien Heidebauern, doch konnte sie nicht die Götter zu ihren Ahnen zählen!“
„Wiltrudis ist also ein Bastard“, hechelte Högni Schlangenzunge. „Ein Kind der Schande ohne Anrecht auf den Rang einer Herzogstochter.“
„Erinnere ich mich recht, so war auch ein gewisser Högni der Sohn einer Magd, auf den Haakon Bärensprungs Vater von Walhall aus mit zweifelhaftem Vaterstolz blicken mag“, mischte sich Olaf Metkanne mit sanft klingender Stimme ein. „Willst du daher ein Recht ableiten, unser Jarl zu werden, Schlangenblick ? Eher passt der listige Loki auf Odins Hochsitz!“
„Heidrune hieß meine Mutter, des tapferen Wercho Tochter“, fuhr Wiltrudis fort, unberührt von den Worten Högnis. „Meinem Vater gehörte einer der großen Höfe, in denen die Herzöge der Sachsen während ihrer Ritte durch die Gaue des Landes gern rasteten. So lernte meine Mutter den Sohn des Wittiches kennen und war ihm gut. Freilich war das in den Tagen, bevor sein Vater ihm eine Tochter des Landes nach Geburt und Stand bestimmte.“
„Deine Mutter war also die erste Liebe des jungen Sachsenherzogs“, seufzte Ragnhild Drachenzahn mit verklärtem Blick. Und auch bei den anderen Frauen war zu erkennen, dass sie dieser Teil der Erzählung mehr mitnahm als alles, was man bis jetzt gehört hatte.
„Es war in den Tagen, als gerade der erste Flaum den Jüngling zum Manne machte“, berichtete Wiltrudis. „Meine Eltern wollten nach der Sitte der Ahnen erst den Segen der Väter einholen, bevor sie zu Frickas heiligem Hain wallten.
Doch wer kann gegen der Väter Gebot? Widukind war bereits einer anderen Fürstentochter versprochen. So blieb ihnen die letzte Nacht, bevor der Herzog abreiste. Aber in dieser Nacht fügten die Götter, was die Väter den Liebenden weigerten. In jener letzten Nacht drang Freia, die hehre Göttin der Liebe, selbst in meine Mutter. Im rasenden Taumel der Leidenschaften empfing sie ein Kind von Widukind. Das Kind des Sachsenherzogs, das ihr hier als reife Frau kennt.“
„Und was geschah weiter?“ fragte Ragnhild gespannt, während der Jarl einen tüchtigen Schluck Met nahm. Erzählungen, in denen nicht von Kampf und Waffen-klirren die Rede war, langweilten sein Heldenherz.
„Ich wuchs auf Werchos Hof heran und der Heidebauer wusste sehr wohl, wer der Vater war“, sagte Wiltrudis leise. „Widukind trat nach dem Willen seines Vaters mit einer Prinzessin der Angrivarier in den Brautring, doch er vergaß weder Heiderune, seine erste Liebe, noch mich, seine geliebte Tochter.
So oft ihn sein Weg in die Nähe des Hofes führte, blieb er Stunden oder Tage bei dem mir, dem Kind, das nicht seine Tochter, und der geliebten Frau, die nicht sein Eheweib sein durfte. In meinen Träumen sehe ich immer wieder die hohe Heldengestalt meines Vaters wenn er, in braunzottige Bärenfelle gekleidet, auf seinem Schwarzross in den Hof geritten kam. Als ich ihn das letzte Mal in der Hammerburg sah, gab er mir als Erbe den Sachs, den jetzt sein Enkel, mein Sohn Lars, trägt.“
Auf einen Wink zog Lars Wolfssohn das Kurzschwert aus der Scheide und reckte es hoch empor. Die Männer hoben ihre Methörner und tranken auf den kühnen Sachsenkrieger, dessen Ruf bis nach Nordland gedrungen war.
„Nachdem die Franken die Eresburg gestürmt hatten, brachte Vater Widukind mich und meine Mutter zur Hammerburg, denn Thiudbrands Feste lag weit jenseits der Gegend, in der die Franken wie Wolfsrudel
Weitere Kostenlose Bücher