Die Flammende
Vaters inszenieren kann, kann sicher auch ein paar Dellianer umbringen, die sie nie gesehen hat.«
Es war, als würde die Zeit sich verlangsamen und alle anderen im Raum wären verschwunden. Da waren nur Fire und Archer. Fire starrte Archer zunächst ungläubig an, und dann â wie Kälte, die sich von den GliedmaÃen her ausbreitet und langsam bis ins Mark vordringt â wurde ihr klar, dass er die Worte, die sie zu hören geglaubt hatte, wirklich laut ausgesprochen hatte.
Und Archer starrte zurück, genauso fassungslos. Er sackte zusammen und versuchte die Tränen zurückzuhalten. »Vergib mir, Fire. Ich nehme es zurück.«
Aber Fire überdachte seine Worte langsam und verstand, dass sie nicht zurückgenommen werden konnten. Und es war nicht so sehr, dass er die Wahrheit offenbart hatte, sondern vielmehr, wie er sie offenbart hatte. Er hatte sie angeklagt, er, der all ihre Gefühle kannte. Er hatte sie mit ihrer eigenen Scham verspottet.
»Ich bin nicht die Einzige, die sich verändert hat«, flüsterte sie und funkelte ihn an. »Du hast dich auch verändert. Du warst noch nie grausam zu mir.«
Damit drehte sie sich um, immer noch in dem Gefühl, die Zeit habe sich verlangsamt, und glitt aus dem Zimmer.
Die Zeit holte Fire im gefrorenen Garten des grünen Hauses wieder ein, als ihr nach einer einzigen zitternden Minute bewusst wurde, dass sie offenbar chronisch unfähig war, an ihren Mantel zu denken. Musa, Mila und Neel standen schweigend um sie herum.
Fire saà auf einer Bank unter dem groÃen Baum; dicke, runde Tränen liefen ihr über die Wangen und platschten in ihren SchoÃ. Sie nahm das Taschentuch, das Neel ihr anbot. Dann blickte sie ihren Wachen einer nach der anderen ins Gesicht. Sie musterte ihre Augen, um zu sehen, ob die Soldaten hinter der Ruhe ihrer Gedanken entsetzt waren, jetzt, da sie Bescheid wussten.
Alle drei erwiderten ruhig ihren Blick. Fire erkannte, dass sie nicht entsetzt waren. Sie sahen sie voller Respekt an.
Ihr ging auf, dass sie groÃes Glück hatte mit den Menschen in ihrem Leben, weil es ihnen nichts ausmachte, mit einem Monster zusammen zu sein, das so widernatürlich war, dass es seinen einzigen Angehörigen umgebracht hatte.
Dicker, nasser Schnee begann zu fallen und schlieÃlich ging die Seitentür des grünen Hauses auf. Brigans Haushälterin Tess kam in einen warmen Umhang gehüllt auf sie zugestapft. »Ich nehme an, Sie planen, vor meiner Nase zu Tode zu frieren«, fauchte die Frau sie an. »Was ist los mit Ihnen?«
Fire sah gleichgültig auf. Tess hatte zartgrüne Augen, die so tief waren wie zwei Wasserbecken und wütend. »Ich habe meinen Vater umgebracht«, sagte Fire, »und vorgegeben, es wäre Selbstmord gewesen.«
Tess war offensichtlich schockiert. Sie verschränkte die Arme und machte ungehaltene Geräusche, anscheinend entschlossen, ihre Missbilligung auszudrücken. Doch plötzlich wurde sie weich wie ein Haufen Schnee, der im Tauwetter vom Dach rutscht, und schüttelte verwirrt den Kopf. »Das verändert die Dinge natürlich. Wahrscheinlich wird der junge Prinz mir erklären: âºHab ichâs dir doch gesagt.â¹ Kind, sieh dich doch mal an, du bist ja völlig durchnässt. Schön wie ein Sonnenuntergang, aber kein Hirn im Kopf. Das hast du nicht von deiner Mutter. Du solltest lieber mit reinkommen.«
Fire war sprachlos. Die kleine Frau zog sie unter ihren Umhang und schob sie ins Haus.
Das Haus der Königin â denn wie Fire sich ins Gedächtnis rief, war das hier Roens Haus, nicht Brigans â war ein guter Ort, um eine unglückliche Seele zu trösten. Die Zimmer waren klein und gemütlich, zartgrün und blau gestrichen und voll mit weichen Sesseln, und die Kamine, in denen die Januarfeuer knisterten, riesig. Es war offensichtlich, dass hier ein Kind lebte, denn überall waren Hannas Schulunterlagen und Bälle und Fäustlinge und Spielsachen und Blotchys undefinierbare zerkaute Habseligkeiten verteilt. Es war wenig offensichtlich, dass Brigan hier lebte, obwohl es für den aufmerksamen Beobachter einige Hinweise gab. Die Decke, in die Tess Fire wickelte, sah verdächtig nach einer Satteldecke aus.
Tess setzte Fire auf ein Sofa vor dem Kamin und ihre Wache in Sessel um sie herum. Sie gab ihnen allen Tassen mit Glühwein, dann setzte sie sich dazu und faltete einen
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