Die Flammende
makabrer Gedanke zu sein; nur ein realistischer.«
Er hörte ans Geländer gelehnt zu, den Kopf auf die Faust gestützt.
»Ich hoffe nur, dass es meinen Freunden nicht allzu viel Kummer bereitet«, fuhr sie fort. »Ich hoffe, sie werden verstehen, dass es unvermeidlich war.«
Sie zitterte. Der Sommer war längst vorbei, und wenn sie heute Nacht nur halbwegs bei Verstand gewesen wäre, hätte sie einen Mantel angezogen. Brigan hatte an seinen gedacht, einen schönen langen Mantel, der Fire gefiel, weil Brigan ihn trug und Brigan schnell und stark war und so wirkte, als fühlte er sich wohl in seiner Haut, egal, was er trug. Und jetzt griffen seine Hände nach den Knöpfen und er schlüpfte aus dem Mantel, da Fire ihr Zittern nicht verbergen konnte, sosehr sie es auch versuchte.
»Nein«, sagte Fire. »Ich bin selbst schuld, wenn ich vergesse, welche Jahreszeit wir haben.«
Er ignorierte ihre Worte und half ihr in den Mantel, der ihr zu groà war; seine Wärme und GröÃe waren ihr willkommen, genau wie sein Geruch nach Wolle, Lagerfeuern und Pferden. Sie flüsterte in sein Bewusstsein: Danke .
Nach einer Weile sagte er: »Es scheint, wir werden heute beide von düsteren Gedanken heimgesucht.«
»Woran denken Sie denn?«
Wieder dieses traurige Lachen. »An nichts, was Sie aufheitern könnte. Ich versuche eine Möglichkeit zu finden, diesen Krieg zu vermeiden.«
»Oh«, sagte Fire und tauchte einen Augenblick aus ihrer Ichbezogenheit auf.
»Das ist ein fruchtloser Gedanke. Der Krieg lässt sich nicht vermeiden, nicht mit zwei Feinden, die wild entschlossen sind zu kämpfen.«
»Es ist nicht Ihre Schuld, wissen Sie.«
Er warf ihr einen Blick zu. »Lesen Sie meine Gedanken, Lady?«
Sie lächelte. »Eher gut geraten, würde ich sagen.«
Er lächelte auch und hob das Gesicht zum Himmel. »Ich habe gehört, Sie schätzen Hunde höher als Kleider, Lady.«
Fires eigenes Lachen war Balsam für ihr Herz. »Ich habe Hanna übrigens das mit den Monstern erklärt. Sie wusste schon ein bisschen darüber Bescheid. Ich glaube, Ihre Haushälterin kümmert sich gut um sie.«
»Tess«, sagte Brigan. »Sie hat sich seit Hannas Geburt gut um sie gekümmert.« Er schien zu zögern und bemühte sich um einen neutralen Tonfall. »Haben Sie sie schon kennengelernt?«
»Nein«, sagte Fire; denn Brigans Haushälterin sah Fire immer noch mit kaltem Blick an, wenn überhaupt. Was Brigan nach seiner Art zu fragen offenbar auch wusste.
»Ich glaube, es ist gut für Hanna, einen alten Menschen um sich zu haben«, sagte Brigan, »der ihr von ganz unterschiedlichen Zeiten erzählen kann, nicht nur von den letzten dreiÃig Jahren. Und Hanna liebt Tess und all ihre Geschichten.« Er gähnte und rieb sich den Kopf. »Wann fangen Sie mit Ihrer neuen Verhörstrategie an?«
»Morgen wahrscheinlich.«
»Morgen«, sagte er und seufzte. »Morgen muss ich weg.« Â
Fire wusste inzwischen weit mehr über die unbedeutenden Gewohnheiten und Vorlieben von Lord Mydogg, Lord Gentian, Murgda, Gunner, all ihrer Haushalte und all ihrer Gäste, als für irgendjemanden interessant war. Sie wusste, dass Gentian ehrgeizig war, aber auch gelegentlich ziemlich beschränkt, und einen empfindlichen Magen hatte, weshalb er kein schweres Essen vertrug und nur Wasser trank. Sie wusste, dass sein Sohn Gunner schlauer war als sein Vater, ein angesehener Soldat und recht asketisch, was Wein und Frauen anging. Mydogg war das genaue Gegenteil, lieà kein Vergnügen aus, war groÃzügig seinen Günstlingen gegenüber, aber allen anderen gegenüber geizig. Murgda war allen gegenüber geizig, sich selbst eingeschlossen, und bekannt dafür, Brotpudding zu lieben.
Das waren nicht gerade nützliche Informationen. Clara und der König hatten Besseres zu tun, als dazusitzen und zuzusehen, wie sie das herausfand, und Garan war immer noch ans Bett gefesselt. Daher war Fire immer öfter allein in den Verhörräumen, abgesehen von Musa, Mila und Neel natürlich. Brigan hatte diesen dreien befohlen, Fire bei allen vertraulichen Angelegenheiten am Hof zu begleiten, und sie verbrachten den gröÃten Teil des Tages mit ihr.
Archer stand manchmal neben ihrer Wache, während sie arbeitete. Er hatte vorher um Erlaubnis gebeten: Clara hatte sie ihm
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