Die Fliege Und Die Ewigkeit
behaupten, dass die ganze Frage moralisch betrachtet verjährt ist, zumindest was mich betrifft. Dreißig Jahre sind ein ziemlich ansehnliches Stück Leben, auch für jemanden, der nicht besonders interessiert an der Zeit ist.
Aber auch das ist natürlich ein falsches Spiel. Ich kann die Frage nicht klären, das ist alles. Vielleicht wäre es am besten, sie umzuformulieren: You can’t derive an ought from an is!
Werde ich es später erzählen?
Ich weiß es nicht.
Und ich weiß nicht, ob ich jemals begreifen werde, was da auf der Beerdigung passiert ist, vielleicht nie verstehen, was er von mir wollte. Alles erscheint so ohne jede Grundlage, als sollte es einzig und allein Anlass für meine Beunruhigung sein. Als gäbe es keine Grenzen mehr für das, was noch eintreffen kann.
Nicht, weil das bedeutungslos wäre, ganz im Gegenteil. Weil es von höchster Bedeutung ist.
Dennoch verspüre ich, wie gesagt, zumindest eine gewisse Neugier. Ich weiß ja auch, dass ich am nächsten Sonntag wieder hier am Schreibtisch sitzen werde, ganz gleich, was auch passiert. Zweifellos freue ich mich auf diesen Zeitpunkt. Ich muss endlich mit dem Drama zum Ende kommen, habe es auf eine fast unverantwortliche Art und Weise vernachlässigt, kann es aber natürlich dennoch nicht unbeendet zurücklassen, unabgeschlossen. Danach will ich mich endlich etwas Neuem widmen.
Ja, mit einer gewissen Hoffnung gehen die Geschehnisse in diesem Frühling ihrer Auflösung entgegen, und mit dem Wunsch, dass alles wieder normal werden wird, werde ich morgen abfahren.
Ich vermisse Birthe.
Kommt sie wirklich nicht zurück? Während ich diesen Satz schreibe, schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: Bring diesen Pfarrer Wilmer um! Ich werde es sicher nie tun, aber wenn ich es doch täte, dürfte ich nicht vergessen, dieses Heft zu verbrennen. Oder zumindest die Seite rauszureißen, offensichtlich brauche ich immer noch eine Frau. Irgendwo am Rande meines Bewusstseins hängt auch noch Nadja an einem losen Faden. Die Betrachterin.
Aber jetzt fühle ich mich in erster Linie müde. Ich bin den ganzen Tag draußen herumgelaufen. Vielleicht nimmt jetzt einfach die Müdigkeit meines Körpers all meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Und sie allein ist die Ursache für meine Ruhelosigkeit. Kann ich nicht mehr klar denken, nur weil mir die Füße wehtun? Sieht so das Alter aus? Zumindest bin ich nicht draußen herumgelaufen, um nicht denken zu müssen. Das war keine bewusste Handlung.
Es gibt sicher vieles, über das ich das Gleiche sagen könnte.
Aber es ist schön, müde zu sein. Der Schlaf – the Chief Nourisher, wie der Meister ihn nennt. Aber er sieht ihn dennoch nur als ein Mittel, um Stärke und Wachheit wiederzuerlangen. Vielleicht ist das auch die Frage von mehr als dem, viel mehr.
Auf jeden Fall werde ich jetzt ins Bett gehen. Dieses Heft soll mir auf meiner Reise Gesellschaft leisten. Nicht, weil ich denke, ich werde dort Gelegenheit finden, darin zu schreiben, aber man kann ja nie wissen.
Wache vier Stunden später auf und fühle eine große Furcht.
Weiß nicht, wovor ... Dunkelheit, Nacht oder einfach nur ein böser Traum? Kann nicht wieder einschlafen. Rauche eine Zigarette, trinke ein Bier, notiere diese Zeilen. Die Morgendämmerung lässt auf sich warten, um mich herum ist es erschreckend still.
Ich bin mir dessen sicher: Würde ich in dieser Minute einen Schrei ausstoßen, dann würde er durch die Dunkelheit bis an jeden Platz auf der ganzen Erdkugel dringen.
13
Z wei, es gibt zwei Alternativen.
Die erste ist die Eisenbahnstrecke, die über die Heide ein Stück weiter im Landesinneren verläuft. Vom Hejmstraat H gehen die Züge in regelmäßigen Abständen, mindestens jede Stunde. Zweifellos der normale Reiseweg.
Die andere Möglichkeit ist die Küstenbahn, was bedeutet, dass man sich bis zum äußersten Hafengelände begeben muss, um in den Zug zu steigen, der direkt an der Küste entlang Richtung Süden fährt. An einigen Abschnitten sogar direkt auf dem Strand. Die Bahn verkehrt vor allem im Sommer während der Touristensaison, aber es gibt das ganze Jahr über den einen oder anderen Zug. Um auch die zu befördern, die draußen an der Küste wohnen.
Letztere Alternative ist deutlich umständlicher als erstere, sie nimmt mehr Zeit in Anspruch, eineinhalb Stunden im Vergleich zu vierzig Minuten. Dennoch entscheidet Maertens sich für diese Reiseart, ohne weiter darüber nachzudenken.
Vielleicht hat es etwas mit dem
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