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Die Fliege Und Die Ewigkeit

Die Fliege Und Die Ewigkeit

Titel: Die Fliege Und Die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Bitte schön!«
    Leon tritt näher und hebt die Schreibtischunterlage hoch. Darunter liegt ein weißes Blatt Papier, ein einziges. Er hebt es hoch, und er spürt, wie seine Hände zittern. Nicht stark, nur eine Spur. Schulter an Schulter beugen sie sich über den Tisch und lesen.
     
    Zentrale Fragestellungen in abendländischer
Philosophie
Examensaufgaben für den 12.5. 196-
     
    steht ganz oben. Leon schluckt ein paar Mal. Er hat einen ganz trockenen Mund. Sieben Fragen ... insgesamt handelt es sich um sieben Fragen. Tomas holt einen Notizblock und einen Stift heraus und beginnt schnell zu schreiben. Leon hält die Taschenlampe und liest eifrig die Formulierungen durch.
    Eine vorsokratische ... ja, das hätte man sich ja denken können ... der Höhlenmorphismus contra Platon wie auch ... Giordano Bruno! Das war nicht zu erwarten, eher hätte man sich wohl Ockham und Bacon denken können ... Was stand da noch? Prices Kritik am Empirismus und dem moral sense ! Unter logischem und moralischem Aspekt ... das war schwierig. Und dann Kant, natürlich, ja, das müsste er hinkriegen ... Aber was quietscht denn da? ... Also weder Frege noch Russell offenbar ...
    Leon wird der Gestalt in den Glastüren als Erster gewahr. Als die andere Taschenlampe eingeschaltet wird und das Licht ihn blendet, schreibt Tomas dennoch eifrig weiter. Er glaubt, es wäre Leon, der ihm in die Augen leuchtet.
    »Ach, hör doch auf!«, sagt er.
    Doch dann begreift auch er.
     
     
    »Borgmann und Delmas!«, sagt der Professor. »Jaja.«
    Er geht an ihnen vorbei, schaltet die Deckenleuchte ein und stellt sich hinter den Schreibtisch. Tomas und Leon weichen so weit zurück, wie sie können. Bis sie auf die imposanten Bücherregale stoßen.
    Hockstein beobachtet sie eine Weile schweigend. Leon zittert nicht mehr, wie er selbst merkt. Stattdessen spürt er, wie sich etwas in seiner Magengegend zusammenzieht, er beugt sich ein wenig vor, um dem entgegenzuwirken. Oder es vielleicht zu unterdrücken. Das Gesicht des Professors ist ebenso unergründlich wie immer, doch als er wieder anfängt zu sprechen, kann man seiner Stimme anhören, dass er ... ja, was ist er?
    Aufgekratzt?, überlegt Leon. Sein Magen tut weh.
    »Meine Herren«, sagt der Professor. »Es ist tatsächlich zehn Jahre her, seit mir das letzte Mal so etwas passiert ist. Damals war es nur einer. Ein junger, begabter Student, mit Namen Rütter ...« Er lässt sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder, schlägt ein Bein übers andere und schiebt das Examenspapier wieder an seinen Platz.
    »Sehr vielversprechend, er hätte es weit bringen können. Ich habe große Hoffnungen in ihn gesetzt, genau wie in Sie beide. Eine traurige Geschichte ... zwei Jahre später erschoss er sich. Vielleicht könnte man sagen, dass er die Konsequenzen gezogen hat.«
    Er macht eine Pause und schaut die beiden an. Leons Übelkeit nimmt jetzt dramatisch zu. Tomas macht einen Ansatz, etwas zu sagen, doch der Professor hebt die Hand.
    »Nein, ich will nichts hören! Ich will in mein Café zurück. Habe nur meine Zigaretten vergessen.«
    Er zieht eine Schreibtischschublade heraus, holt eine flache Metalldose heraus und steckt sie sich in die Tasche.
    »Morgen werde ich in aller Frühe dem disziplinarischen Rat der Fakultät Bericht erstatten. Sie werden für alle Zeiten von akademischen Studien suspendiert werden. Ihre bis jetzt erworbenen Meriten werden Ihnen aberkannt.«
    Wieder macht er eine kurze Pause. Dann steht er auf. Das Thema ist erschöpfend behandelt.
    »Aber ich werde die Sache nicht dem zivilen Gerichtsstuhl übergeben. Ich gehe davon aus, dass die Strafe auch so hart genug sein wird.«
    Er macht ein Zeichen mit der Hand.
    »Und nun, bitte schön. Den gleichen Weg hinaus, den Sie gekommen sind, wenn ich bitten darf!«
    In einem seiner Mundwinkel zuckt es ein wenig.
     

32
     
    B ei der Bertrandgracht muss Leon stehen bleiben, um sich zu übergeben. Er steht mit der Stirn an einen kalten, feuchten Baumstamm gelehnt und gibt alles von sich, was er im Laufe des Tages gegessen hat. Tomas hat ihm einen Arm über den Rücken gelegt und den anderen fest unter den Brustkorb geschoben, damit Leon nicht auch noch umfällt. Keiner von ihnen hat ein Wort von sich gegeben, seit sie die Villa verlassen haben, aber Tomas war gezwungen, den Freund ab und zu auf dem Weg zu stützen. Das letzte Stück hat er ihn fast mit sich geschleppt.
    Als es vorbei ist, fühlt Leon sich ein wenig besser. Die Knoten im Magen

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