Die Flieger von Antares - 08
wunderschön, andererseits unvorstellbar grausam sein kann – auf dieser Welt muß man in den meisten Ländern eine Waffe tragen, wenn man frei bleiben will. Zwar hatten mir meine Krozairkenntnisse der waffenlosen Selbstverteidigung schon oft geholfen, doch geht mir nichts über das Gewicht eines Schwerts in der rechten Hand.
Die Kämpfe der jungen Leute, die von der Veranda vor dem Haus des Dorfhäuptlings aus gut verfolgt werden konnten, gingen unter lautem Gebrüll zu Ende. Zuletzt drängte sich eine Gruppe von etwa fünfzig Jünglingen und Mädchen zusammen. Zwischen ihnen erstreckten sich Blumengebinde. Die Traurigkeit Rorpals von Podia mußte mich angesteckt haben; die Blumen erinnerten mich an Trauerkränze. Dabei mußte es sich um den Schmuck der Sieger handeln.
Die bunten Blumen waren allerdings zu langen Girlanden zusammengebunden, so daß die fünfzig Erwählten mehr oder weniger gefesselt aussahen.
Zahlreiche Menschen entfernten sich von der offenen Fläche. Sie lachten – doch ihr Lachen rührte mich kalt ans Herz. Ich warf einen Blick auf Rorpal.
Er stand auf. Ein junger Mann reichte dem Häuptling das Zeichen seines Amtes, einen Speer, der mit Blumen bekränzt war. Rorpal hob die Waffe. Die Menge wurde still und schob sich langsam vor die Veranda, während die fünfzig Zusammengebundenen abseits stehenblieben.
Rorpal schien eine Rede halten zu wollen, die vielleicht etwas Licht in die Geschehnisse brachte. In diesem Augenblick eilte eine Frau herbei. Sie drängte sich durch die Menge und blieb schweratmend vor Rorpal stehen. Sie wirkte aufgeregt und zugleich entschlossen.
»Rorpal! Ich rufe dich an! Paesi – sie war es, es wurde beschlossen, daß Polosi gehen soll!« Sie stotterte fast, so daß mir ihre Worte unverständlich blieben. Doch Rorpal schien zu wissen, was sie wollte. Er schlug mit dem Speerschaft dreimal auf den Holzboden. Ringsum breitete sich Stille aus. Das Rascheln der Blätter und das Heulen einiger Hunde in einem Verschlag waren die einzigen Geräusche.
»Also gut, Mutter Mala. Paesi war es, dem stimmen wir alle zu.«
»Ha!«
Rorpal machte eine umfassende Geste, als wollte er die Frau, Mutter Mala, die Menge, die fünfzig jungen Leute in ihren Blumenketten, die alten Leute auf der Veranda und mich umarmen, und ließ den Speerschaft viermal auf den Boden knallen. Sofort begannen die Menschen zu jubeln, doch sogar das Jubelgeschrei hatte etwas Niederdrückendes, zumal die fünfzig Jünglinge und Mädchen und viele ältere Leute schwiegen.
Im nächsten Augenblick stimmte einer der fünfzig ein hysterisches Geschrei an. Ein junger Mann durchbrach die Blumenkette, eilte herbei und stürzte sich in die Arme von Mutter Mala. Ich sah Paesi, die mich an der Küste gefunden hatte. Sie umarmte und küßte den Jungen und seine Mutter.
In der Menge bewegten sich große irdene Gefäße herum, ich will sie Amphoren nennen, obwohl sie eigentlich diesen in der Form nicht ganz entsprachen, da sie eine verschließbare Schnabelöffnung haben. Von den Lamnias werden sie ›Holc‹ genannt. Sie ruhen in geflochtenen Körben und werden auf dem Rücken getragen, von Männern, die das Gefäß mit bemerkenswerter Geschicklichkeit neigen und einen Strahl Wein in einen ausgestreckten Becher zu leiten vermögen, ohne auch nur einen Tropfen zu vergießen. Die alten Männer auf der Veranda erhielten frischen Wein – und ich nahm den Kelch entgegen, den man mir reichte. Wieder klopfte Rorpal von Podia dreimal mit seinem Speerschaft auf, und es wurde still.
»Trinken wir zum Abschied!« rief Rorpal. »Sagen wir den Spruch des Da'eslam auf!«
»Da'eslam! Da'eslam!«
Wir tranken.
Und schon war das Fest vorbei, mit einer Plötzlichkeit, wie sie bei den Lamnias üblich ist. Die Leute schlurften davon. Ich setzte den Kelch ab und blickte zu den fünfzig – nein, neunundvierzig – jungen Leuten hinüber und sah, daß sie verschwunden waren.
An der Stelle vermochte ich nur noch das Gewirr der Blumenkette auszumachen, die achtlos zu Boden geworfen worden war.
Im letzten Licht der grünen Sonne Genodras, die in Havilfar Havil genannt wird, und der roten Sonne Zim, hier Far geheißen, sah ich eine kleine Gruppe von Männern durch den Palisadenzaun treten. Sie näherten sich der offenen Fläche vor der Veranda.
Ich sah in ihre Gesichter und griff instinktiv nach dem Griff des Schwertes, das nicht an meinem Gürtel hing.
Die Neuankömmlinge standen im opalisierenden Licht, warfen ihre langen Schatten
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