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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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Schnitt.“
    Minnie staunte. Die freundliche Friseurin mit dem Piercing musste sich umgehend nach ihrem Friseurbesuch im Hospiz eingefunden haben. Sie bedauerte sehr, dass sie den Besuch der freundlichen Haarkünstlerin verpasst hatte. „Ist sonst noch etwas passiert?“, fragte sie die Hundezüchterin.
    „Ja! Vor einigen Tagen wurden die Türschilder derjenigen, die im November gestorben sind, aus einem Kästchen geholt und in einer feierlichen Zeremonie verbrannt. Wir waren alle anwesend. Zuerst wurde der Name vorgelesen, dann haben wir uns alle an die lieben Toten erinnert – und zuletzt wurde das Papier angezündet. Zuerst das Schild von Gertrud Knopinski, dann die Namen von Professor Pellenhorn, Marius Stamm und Otto G. Klatsch. Die Asche haben wir im Garten verstreut.“
    „Wie geht Bella damit um, dass sie schon eine Woche über ihrer ärztlichen Prognose liegt?
    „Zuerst war sie missmutig“, wusste Marisabel zu berichten. „Dann jedoch wurde sie noch stiller als zuvor, und legte immer mehr Schminke auf. Wahrscheinlich befürchtet sie, dass sie in jeder Minute der Schlag treffen kann.“
    „Und Sie, Adolf ? Wie geht es Ihnen?“
    „Ganz gut… aber es ist wirklich auffällig ruhig in Haus Holle geworden. Fast alle Gäste ruhen sich aus. Doch es gibt auch gute Nachrichten zu berichten: Gestern durfte mich meine Frau endlich wieder besuchen. Sie hat mich sogar erkannt.“
    Der dünne Mann wirkte entspannter als vor Minnies Klinikaufenthalt. Sein langes Haar hing strähnig nach unten. Das gab Montrésor ein bizarres Aussehen. Er erinnerte Minnie an Gollum aus Der Herr der Ringe .
    Als ein leises Rufen erklang, zuckte Frau Prinz schreckhaft zusammen: Dr. Z. betete wieder. Danach stimmte er sanft die Melodie von Maria durch ein Dornwald ging an – passend zum bevorstehenden, ersten Advent.
     
    Das Lied verfolgte Minnie bis zum Zimmer von Herbert Powelz. Sie schlüpfte leise zur Tür hinein. Schemenhaft erkannte sie, dass Mike auf dem Sessel lag. Er schlief tief und fest. Nur Anne sperrte ein Auge auf. Trotz Übermüdung wurde sie beim kleinsten Geräusch wach. „Minnie! Sie sind wieder da! Das wird Mike freuen.“
    Die alte Dame setzte sich auf Annes Bettkante und flüsterte: „Ich musste lange in der Klinik bleiben. Schön, dass ich Sie noch antreffe…“
    Übernächtigt blickte Herberts weißhaarige Leibwächterin die Besucherin an. „Ich lasse alles auf mich zukommen, und mache das Beste aus der Situation“, meinte Anne. „Manchmal wünsche ich mir, dass mein Mann endlich erlöst wird. Kürzlich hat ihn der dünne Dietmar mal vor das Fenster geschoben, und wir haben uns das Vogelhäuschen angesehen. Kurz darauf sah mein Mann plötzlich ganz komisch aus. In diesem Moment glaubte ich zu spüren, dass er nun sterben würde. Dietmar empfand das genau so. Aber eine Minute später war wieder alles wie immer.“
    Herberts Husten unterbrach das Gespräch. Minnie sah, dass er eine seltsame Stelle am Kopf hatte.
    „Hat Ihr Mann sich gestoßen?“, fragte sie.
    „ Anscheinend ja“, erwiderte die Ehefrau. „Außerdem kann er sein linkes Auge nicht mehr öffnen. Dadurch sieht er so traurig aus, wenn er mich anblickt.“
    „Sein Gesicht ist dünner geworden“, sagte Minnie. Sie streichelte die Hand des Kranken. 
    Verwirrt blickte Herbert sie an.
    „Da bist Du ja“, flüsterte er leise.
    „Er ist verwirrt“, erklärte Anne. „Dr. Aracelis hat das Morphium erhöht. Außerdem bekommt Herbert nun Tabletten, die verhindern sollen, dass sich seine Tumore mit Wasser vollsaugen. Er braucht immer öfter Tavor.“ Völlig erschöpft schloss Anne die Augen und sank auf ihr Gästebett zurück.
    Minnie war unwohl zumute inmitten von drei schlafenden Menschen, von denen einer sterbenskrank war und die anderen völlig kraftlos wirkten.
    Leise stand sie auf und schob ihren Rollator zur Tür.
     
    Kurz darauf wurde Kai Bergmanns Sarg auf Rollengestellen über den unteren Flur gezogen und Anne Powelz erwachte.
    Sie stupste Mike an, und fragte:  „Ist jemand gestorben?“
    Sofort schreckte ihr Sohn aus dem Schlaf auf. „Keine Ahnung!“
    „Deine Freundin ist zurück“, flüsterte Anne. „Minnie war vorhin kurz hier.“
    „Wie geht es ihr?“
    „Sie sieht frischer aus als früher“, erklärte Anne. „Außerdem will sie Dich etwas fragen.“
    „Dann flitze ich rasch zu ihr runter“, rief Mike. Er eilte zu Zimmer 6, und wollte gerade anklopfen, als ihn Minnies Stimme davon abhielt. Zwar konnte er nur ein

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