Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
dass die Person kontrollierte, ob alles hygienisch war. Doch nun war ihm eingefallen, dass die Person die gleiche Handbewegung gemacht hatte wie Kostja, als er die Croutons verteilte.
Wie hatte er das bloß vergessen können? Vor allem, nachdem Professor Pellenhorn am folgenden Abend am einem Stück Parmesankäse erstickt war?
„Hör mal“, wandte er sich flüsternd an seine Frau, denn seit seinem Hirnkrampf im Grünen Saal konnte er nicht mehr richtig sprechen. „Was würdest Du machen, wenn Dir etwas komisch vorkommt?“
„Wie meinst Du das?“, fragte Lisa aufblickend. Sie legte gerade eine Patience.
„Naja… Ich habe jemanden gesehen, der nicht in die Küche gehört – und sich trotzdem mit den Speisen beschäftigt hat. Das war am Nachmittag jenes Abends, als Professor Pellenhorn im Esszimmer an einem Stück Parmesankäse erstickte.“
„Meinst Du?“, fragte seine Frau. „Du kannst doch nicht mehr richtig sehen. Was für Käse überhaupt? Und wer ist Professor Pellenhorn?“
Adolf holte tief Luft. Er spürte, dass ihm der nächste Kopfkrampf bevorstand.
„Ich rede von dem lächelnden Buddha im Rollstuhl. Ich habe Dir doch erzählt, dass in seinem Salat ein Brocken Parmesankäse war, der sich in seiner Luftröhre festgesetzt hatte! Vergisst Du denn alles?“
Schuldbewusst sah ihn seine Frau an.
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie. „Vielleicht bin ich wirklich ein bisschen neben der Spur. Aber wenn Dir wirklich etwas komisch vorkommt, solltest Du es jemandem sagen.“
„So weit bin ich auch“, fauchte der alte Mann. „Steck’ mir mal eine Zigarette an.“
Während er den Qualm inhalierte, überlegte Adolf krampfhaft.
„Im Grunde“, sagte er und stieß den Rauch durch die Nase aus, „im Grunde gibt es nur eine Person, der ich das sagen kann. Dieser alten, weißen Dame. Sie interessiert sich immer für alles. Diese Minnie – Du weißt schon…“
„Kenne ich nicht“, sagte seine Frau und griff nach dem Pik-As.
„Doch, sie liegt auf unserem Flur – ich glaube, in Zimmer 6. Geh mal rasch hinüber zu ihr. Und bitte sie, zu uns zu kommen.“
„Muss das jetzt sein?“ Seine Gattin nölte. „Ich möchte erst zu Ende spielen.“
„Geh schon, beeil Dich! Du siehst doch, dass es mir nicht gut geht. Ich muss mit dieser Tante reden!“
Endlich erhob sich seine Frau, strich sich den Rock glatt, und ging zur Tür. Dann kam sie noch mal zurück und drückte ihrem Adolf einen Kuss auf die Stirn.
„Bis gleich, mein Großer!“
Von Zimmer 3 bis Zimmer 6 brauchte man nur dreißig Sekunden. Doch kaum stand Adolfs Frau im Flur, hatte sie die Raumnummer vergessen.
Wem sollte sie nochmal was sagen?
Ratlos blieb sie in der Mitte des Ganges stehen. Dann fiel es ihr wieder ein. Es ging ja um Käse!
Sie sprach die nächstbeste Person an. „Mein Mann liegt da am Ende des Ganges. Er hat sich sehr aufgeregt, weil er gern möchte, dass jemand in die Küche geht und Käse über seinen Salat streut“, sagte sie vorwurfsvoll. „Sie sollen die Frischhaltefolie abnehmen und Parmesankäse nehmen – aber einen dicken Brocken. Haben Sie das verstanden?“
Die Person nickte. Sie hatte genug verstanden.
Eine Dreiviertelstunde später kam Adolfs Frau zufrieden zurück. Sie hatte mit irgendjemandem gesprochen, war von irgendjemandem zu einem Kaffee im Wohnzimmer des zweiten Stocks eingeladen worden und hatte die Chamäleons im Terrarium bestaunt. Dabei war sie eingeschlafen, bis die Hauswirtschafterin sie aufgeweckt hatte.
„Sie holen sich ja den Tod!“, hatte Katharina geschimpft. „Schauen Sie nur, das Fenster ist weit aufgerissen – und Sie sitzen mitten in der Eiseskälte. Kommen Sie rasch! Ich bringe Sie zurück zu Zimmer 3.“
Kopfschüttelnd hatte sich Katharina bei Adolfs verwirrter Gattin eingehakt und sie zu Montrésors Zimmer begleitet.
Jetzt saß sie wieder vor ihren Karten. Gott sei Dank schlief Adolf. Er konnte sich so leicht aufregen. Lisa griff nach dem Pik-As und legte es an eine andere Stelle. Hatte sie alles richtig gemacht? Egal, es war anscheinend nicht so wichtig gewesen.
Als Montrésor endlich erwachte, hatte Lisa bereits drei Patiencen gelegt – aber keine einzige war aufgegangen.
„Hast Du alles gesagt?“, fragte Herr Montrésor.
„Was denn?“, meinte seine Frau. Sie konnte das Pik-As nicht finden und ärgerte sich gerade schwarz.
„Das mit dem Käse!“, herrschte er sie wütend an.
„Ach das! Na klar, ich habe die Botschaft
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