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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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war totenbleich.
    „Wir wussten gar nicht, dass Du hier bist“, sagte Dietmar. „Du wolltest doch bei Angie übernachten – in Eurer neuen Wohnung!“
    „Ich war auch dort“, flüsterte Annette. „Aber mir wurde plötzlich schlecht. Also habe ich mir ein Taxi genommen. Ich wollte nur meine Tabletten holen. Adolf Montrésor hat mich reingelassen, als er ging.“
    Erschrocken fuhr Hendrik auf.
    „Montrésor hat das Haus verlassen? Mit seinem Uhrglasverband und seinen Halluzinationen? Das darf nicht wahr sein!“
    Der erregte Pfleger wandte sich an seinen Kollegen.
    „Kann ich Dich mit Annette allein lassen, Dietmar?“
    Sein dicker Kollege nickte.
    Bevor Hendrik aus dem Zimmer eilte, steckte er seinen Kopf noch einmal zur Tür hinein. „Sonja Merkel muss noch der Po abgewischt werden“, rief er. „Ihre Windeln sind voll.“
     
    Die Eingangstür war angelehnt.
    Montrésor saß in der nächtlichen Kälte – splitterfasernackt und rauchend. Hendrik sah auf den ersten Blick, dass sich der Kranke den Uhrglasverband abgerissen hatte.
    Sofort zog er Adolf von der Bank.
    „Kommen Sie bloß schnell hinein! Sie holen sich ja noch den Tod.“
     
    Eine Viertelstunde später war Sonja frisch gewickelt worden. Hendrik schaltete die Klimaanlage in ihrem Zimmer ein. Er wunderte sich: Durchfall hatte Sonja sonst nie. Der Pfleger notierte den Vorfall.
    Auch Hendriks doppelter Einsatz war vorerst beendet. Zuerst hatte der Pfleger Annettes Schmerzen in der Speiseröhre gelindert. Er schrieb Dr. Coppelius eine E-Mail, und bat den Schmerztherapeuten, Annettes Morphiumdosis zu erhöhen. Zu guter Letzt half er Montrésor in den Schlaf, säuberte dessen geschwollenes Auge, legte einen neuen Uhrglasverband an und befestigte ihn diesmal mit Pflastern. Außerdem wickelte er ein Handtuch um Adolfs Türklinke.
    Es war erst halb elf.
     
    Minnie hatte wie ein Stein geschlafen. Plötzlich weckte sie eine innere Unruhe. Sie zitterte am ganzen Körper. Obwohl die Uhr 22.31 Uhr anzeigte, schlüpfte die alte Dame in weiße Gummipantoffeln und warf sich einen Schal über die Schultern. Sie verließ 6 und setzte sich auf das kleine Sofa vor ihrem Zimmer.
    Mimi schlich um sie herum.
    „Tagsüber schlafen und nachts zu neuem Leben erwachen… Du bist mir die Richtige“, flüsterte Minnie.
    Die Katze sah sie mit großen Augen an und trippelte auf die alte Dame zu. Dann jedoch wurde das Tier vom Knall einer entkorkten Sektflasche verschreckt und floh über die Treppe nach unten.
    Zweifelsohne: Irgendwo im Haus fand eine Party statt. Minnie hörte das unterdrückte Kichern einer Frau, und das Flüstern eines Mannes, der ihr Komplimente machte. Bella Schiffer schien Besuch zu haben. Und sie wollte nicht gestört werden. An ihrer Türklinke hing ein Schild mit der Aufschrift Bitte nicht stören – genau wie bei den alten Knopinskis.
    Ansonsten war alles ruhig.
    Nicht mal ein Pfleger war zu sehen.
     
    Nadine Nisse war in Plauderlaune.
    „Ich hoffe, ich labere Dir keine Frikadelle ans Ohr“, erzählte sie Hendrik, „aber ich muss Dir mal sagen, dass ich mich manchmal darüber wundere, dass die krumme Sonja und ich zur gleichen Zeit in Haus Holle gelandet sind. Draußen, im Rotlichtviertel, war sie immer voll frech zu mir. Sie wollte ständig das Oberkommando haben. Sonja glaubte wohl, sich das erlauben zu können, weil sie die Schnellste im Drogen besorgen war. Aber denk ja nicht, sie hätte geteilt! Nee, Sonja war ein richtiges Luder. Einmal hat sie mich sogar übers Ohr gehauen und mir mein letztes Geld geklaut.“
    Benebelt blickt die junge Mutter Hendrik an, der keinen Millimeter von ihrem Bett wich. Der Pfleger sorgte sich um Fee, die sich nicht in ein anderes Zimmer verfrachten lassen wollte. Zweimal hatte Hendrik versucht, das Kind auf den Arm zu nehmen, doch beide Male hatte Fee laut geschrien.
    Andererseits konnte er die Kleine nicht mit ihrer vollgedröhnten Mutter allein lassen. Hendrik musste warten, bis Nadine wieder in der Wirklichkeit gelandet sein würde, und ihr Laberflash nachließ.
    Davon war sie weit entfernt. „Als ich hier einzog, habe ich mich so darüber gewundert, dass Sonja unten im Esszimmer saß! Ich dachte immer, sie hätte ihre HIV-Infektion gut im Griff.“
    Die junge Mutter starrte auf ihre Fingernägel. „Das hab’ ich schließlich auch geschafft. Wahrscheinlich ging’s bei Sonja schief, nachdem sie in Thailand war, stimmt’s? Danach war sie plötzlich auf Crack. Wo liegt sie eigentlich? In Zimmer 7? Ich

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