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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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dicke Dietmar drückte die Türklinke nach unten.
    Er linste vorsichtig ins Zimmer und fand das tote Ehepaar.

Die Flucht
     
     
    Knut und Gertrud Knopinski waren am 2. oder 3. November gestorben. Obwohl sie 96 und 95 Jahre alt geworden waren, staunten alle, die von ihrem Tod hörten.
    Katharina Schulz wunderte sich, als sie die Fenster in Knopinskis Sterbezimmer öffnete, in dem die beiden Toten seit Stunden lagen. Die Hauswirtschafterin staunte über den Nikotingeruch im Zimmer. Soweit sie wusste hatten die Knopinskis nie geraucht. 
    Marisabel Prinz war geschockt, weil sie die Erkenntnis überfiel, wie schnell der Tod zuschlagen konnte. Gestern noch hatte sie mit sich gerungen, ob es richtig war, Gertrud zu raten, den himmelblauen Schlaf-Pyjama wegzuwerfen – oder ob sie lieber schweigen sollte. Sie hatte sich fürs Schweigen entschieden. Jetzt lag die uralte Dame in eben diesem Pyjama in ihrem Sterbebett, den Gatten gleich neben sich. Fast hätte Marisabel geweint, doch sie wurde lieber hysterisch und enteilte ins Esszimmer. Als Frau Prinz aus dem Fenster schaute, sah sie den Mercedes der Knopinskis am Ende der langen Einfahrt stehend. „Deine Besitzer werden nie mehr mit Dir fahren“, dachte Marisabel.
    Dr. Andreas Albers war perplex, als er hörte, dass das Portemonnaie von Knut Knopinski spurlos verschwunden war. Außerdem erzürnte es ihn, dass sein Kollege Bruno den Mantel des Verstorbenen anprobierte und behauptete, Knut Knopinski habe ihm das gute Stück schenken wollen.
    Dr. Coppelius und Dr. Aracelis indes wunderten sich über den plötzlichen Tod von Gertrud Knopinski. „Die alte Dame war gestern Abend noch im Esszimmer. Kostja behauptet, dass sie in einem Rollstuhl saß und großen Appetit hatte.“ Die Ärzte nahmen Gertruds Loch im Bauch unter die Lupe, und fanden heraus, dass es sich nicht weiter entzündet hatte. „Sie muss im Schlaf gestorben sein“, diagnostizierte Dr. Coppelius.
    „… und ihr über sie gebeugter Mann erlitt vor Schreck einen Herzinfarkt, ergriff ihre Hand und sank mit dem Kopf auf ihre Brust? Seltsam, aber durchaus möglich“, meinte Dr. Aracelis. „Ich stelle den Totenschein aus.“
    Minnie hingegen staunte über das friedliche Bild, dass sich ihr in Zimmer 2 bot. Knut und Gertrud Knopinski ruhten nebeneinander, vereint in einem ewigen Schlaf. Wertvolle Antiquitäten schmückten ihr schönes Eckzimmer, das seinen Bewohnern zu Lebzeiten den besten Blick in den Hospizgarten geschenkt hatte. Doch die alte Dame staunte noch über etwas anderes: Gertrud Knopinski trug keinen einzigen ihrer zahlreichen, wertvollen Ringe. Auch ihr Schmuckkästchen war leer. Die Besitztümer der Toten waren spurlos verschwunden.
    Die alte Dame schnupperte. Die Andeutung des Hauchs eines Dufts, den sie schon einmal gerochen hatte, lag in der Luft. Ja – es roch eindeutig nach Haarspray. Aber auch nach Nikotin…
     
    Natürlich war der plötzliche Tod von Knut und Gertrud Knopinski auch das Gesprächsthema bei Tisch.
    „Gertrud war doch gestern noch so munter“, klagte Marisabel Prinz mit dünner Stimme. „Ich verstehe nicht, wie der Tod so schnell zuschlagen kann. Seit ich hier bin, habe ich unzählige brennende Kerzen gezählt – und ich weiß nicht mal, ob ich jede neue, die angezündet wurde, gesehen habe.“
    Auch Bella Schiffer wunderte sich. „Aber dass der Alte in derselben Nacht wie seine Frau gestorben ist… Wie kann das nur angehen? Ob ein Fluch auf den beiden lag?“
    Omi prustete los. Ihr Mund spritzte eine Ladung Orangensaft über den Tisch. „Sie glauben an Flüche?“
    „Natürlich“, antwortete Bella ernst. „Ich wurde selbst von einem befreit! Eine Hellseherin fand heraus, dass der Fluch einer neidischen Tante auf mir lastete. Sie vertrieb ihn für 40 Euro. Und was soll ich Ihnen sagen? Schlagartig musste ich nicht mehr pausenlos erbrechen, und konnte endlich wieder meine Wohnung verlassen. Vorher bin ich mir vorgekommen wie eine Gefangene in den eigenen vier Wänden.“
    „Ich habe gestern von einem neuen Medikament aus den USA gelesen, das auf wundersame Weise gegen Krebs wirkt“, erwiderte Marisabel. „Nach dem Frühstück werde ich es umgehend bestellen.“
    „Siiee müüüüsssen…“, stieß Professor Pellenhorn hervor, „azzzzepppppieren, dassssss…“
    „Wie bitte?“, fragte Marisabel.
    Pellenhorn zwinkerte hilflos mit den Augen.
    „Wie auch immer“, meinte Bella, „mein Fluch war tatsächlich vertrieben worden. Für zwei bis drei Tage hörten

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