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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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sogar die schrecklichen Rückenschmerzen auf. Und das will viel heißen: Die Schmerzen fühlten sich an wie Wehen in der Wirbelsäule . Sie waren vernichtend. Über normale Schmerzen lachst Du im Vergleich dazu.“
    Marisabel Prinz hingegen dachte an die tote Gertrud Knopinski. Die Hundezüchterin fröstelte. „Jetzt ist der Tod wieder ein Stück näher an mich herangerückt…“
    Bella sah sie an. „Ist er das nicht sowieso? Dadurch, dass Sie in Haus Holle sind? Aber Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Es gibt noch viele Mittel und Wege. Demnächst fahre ich zu einem Arzt, der zwar nur schulmedizinisch ausgebildet ist, aber unglaublich vielen Krebspatienten geholfen haben soll. Dabei behandelt er die Kranken angeblich nur mit Kräutern. Ich werde mir mal anhören, was er über Morphium erzählt. Ich habe gehört, dass es den Darm zerstören soll.“
    In Professor Pellenhorns Augen lag ein seltsamer Ausdruck. Minnie wusste nicht, ob sie ihn als Mitleid oder Besorgnis interpretieren sollte.
    Die Schönheitskönigin jedoch hatte keinen Blick dafür: „Zwar wohnt dieser Kräuter-Arzt sieben Stunden vom Hospiz entfernt, aber ich will nichts unversucht lassen“, sagte sie forsch. „Totgesagte leben länger!“
    Marisabel lachte verbittert. „Ich sollte mich wirklich wieder beruhigen. Schließlich kann es diejenigen, die am gesündesten aussehen, ebenso gut als nächstes erwischen wie mich.“ Die Hundezüchterin wandte sich Omi zu. „Warum tragen Sie heute Ihre blonde Perücke? Gestern Nacht sind zwei Menschen gestorben!“
    „Weil ich nicht wusste, was passiert ist, als ich nach unten kam“, entgegnete Klärchen Krause mit erschrocken aufgerissenen Augen. „Wenn ich es geahnt hätte, hätte ich natürlich Schwarz getragen.“
    „Schwarz wird noch genug getragen“, sagte Bella lakonisch.
     
    „Guten Morgen!“ Der Psychologe stand im Esszimmer. „Wie ist das allgemeine Wohlbefinden?“
    Professor Pellenhorn blinzelte freundlich, die Damen Schiffer und Prinz nickten müde, und Omis Mund war zu voll zum Sprechen. Also ergriff Minnie das Wort.
    „Wir sind erschrocken über den plötzlichen Tod der Knopinskis!“
    „Das kann ich gut nachvollziehen.“ Dr. Albers setzte sich zu den Gästen. „Bestimmt haben Sie nach den Ereignissen in der letzten Nacht einige Fragen?“
    Marisabel Prinz sah auf ihren leeren Teller.
    „Ich wüsste gern“, sagte Minnie, „wie das Sterben genau abläuft. Egal welches Buch ich gelesen – oder welchen Krimi ich gesehen habe – eine detaillierte Schilderung der letzten zehn Minuten im Leben eines Menschen bleibt einem immer vorenthalten. Anscheinend wollen einem die Drehbuchautoren und Schriftsteller das nicht erzählen.“
    „Ich ahne, dass sich ein bestimmter Gedanke hinter dieser Frage versteckt“, entgegnete Andreas. „Liege ich richtig, wenn ich annehme, dass Du glaubst, dass der Sterbeprozess derart schrecklich sein muss, dass uns weder Autoren noch Filmemacher eine detailgetreue Schilderung zumuten möchten?“
    „Ja“, sagte Minnie.
    Hastig stand Marisabel Prinz auf und verabschiedete sich. „Heute habe ich noch einiges vor. Ich will herausfinden, welche Busse in die Innenstadt fahren. Und wann die Weihnachtsmärkte beginnen.“
    „Ich komme mit!“ Omi schloss sich schlagartig an. Bevor sie aus dem Zimmer eilte, rief sie: „Dass ich jetzt gehe, heißt nicht, dass ich nicht vorübergehend klar käme mit diesem Ort. Ich stehe da drüber. Bestimmt gibt es in den anderen Zimmern noch viel Kränkere als mich. Aber ich will gar nicht wissen, was auf uns Menschen zukommt.“
    Der Psychologe faltete sein Hände zusammen. „Möchte sonst noch jemand gehen? Oder kann ich anfangen?“
    Weil Minnie, Bella und Professor Pellenhorn schwiegen, suchte der Psychologe nach einem Ansatz für das schwer zu vermittelnde Thema.
    „Jahrhundertelang gehörte das Sterben zum Leben wie eine Geburt, eine Taufe oder eine Hochzeit. Damit die Menschen das nicht vergaßen, sondern ihr Leben bewusst lebten, gab es Erinnerungssprüche wie Memento mori . Das heißt übersetzt so viel, wie Bedenke, dass Du des Todes bist . Vielleicht kennen Sie aber auch den Leitspruch Carpe diem , der durch den Kinofilm Der Club der toten Dichter bekannt geworden ist. Er bedeutet: Lebe den Tag .“
    „Das ist dasselbe, was die Jugendliche n heute Yolo nennen“, meinte Annette, die sich zu den drei Gästen gesellt hatte. Yolo ist die Abkürzung für You only live once – Du lebst nur einmal

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