Die florentinische Prinzessin
Hugenotten uns erneut verraten, werde ich zusammen mit meinem Sohn, dem König, entscheiden, was wir unternehmen. Seid versichert, dass wir keinen neuen Aufruhr dulden werden. Aber Euer Ansinnen ist gewissenlos.«
Ich machte Anstalten, mich zu entfernen, als er mich am Arm packte. Ich wirbelte herum, und jetzt sah ich das wahre Gesicht, das unter seiner Maske der Reglosigkeit lauerte – eine Fratze des Hasses und der Intoleranz. »Schlagt Ihnen die Köpfe ab«, zischte er, »und ich gebe Euch meine österreichische Cousine als Königin für Euren Sohn, Prinzessinnen für Eure anderen Söhne und Kronen für die ganze Sippe. Ich bin zur Großzügigkeit bereit. Aber wenn Ihr mich im Stich lasst, Madame de Medici, werdet Ihr die Folgen tragen müssen.«
Ich blickte auf seine Hand hinunter. Hastig zog er sie zurück, als hätte er sie sich verbrüht. »Schickt zuerst Eure Cousine«, sagte ich. »Dann denke ich über alles Weitere nach. Bis dahin wünsche ich Euch einen guten Tag.«
Während ich davonstolzierte, spürte ich seine Augen wie Pfeile in meinem Rücken.
Ich war im Leben schon einigen skrupellosen Männern begegnet, Männern, die am Töten Freude fanden, Männern, bei denen die Lust zur Zerstörung wie Blut in den Adern floss, aber keiner davon hatte mich derart empört wie Philipp II. Er verkörperte alles, wogegen ich gekämpft hatte. Er war mein Oheim Clemens, le Balafré und Monseigneur in einer Person. Er war die Verkörperung all der zerstörerischen, dogmatischen Männer, die keinen anderen Weg als den ihren kannten, in deren Seele schwärzeste Dunkelheit herrschte und die von mir erwarteten – nein, forderten –, dass ich ihnen gehorchte, einfach weil ich eine Frau war.
Niemals!, schwor ich mir, als ich den Schlossgang verließ. Nie wieder würde ich die Schachfigur eines Mannes sein.
Ich würde Frankreich regieren, wie ich es für richtig hielt, komme, was wolle.
Wieder einmal standen wir an den Gestaden des Bidassoa, umtost von einem grausamen Wind. Obwohl es Ende Juli war, war die Hitze einem vorzeitigen stürmischen Herbst gewichen. Ein letztes Mal umarmte ich Elisabeth, die sich zur Abreise anschickte. »Du musst auf dich aufpassen«, murmelte ich und dachte heimlich an ein anderes Kind, das ich verloren hatte. »Vergiss nicht, dass viele Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, später trotzdem noch gesunde Kinder zur Welt bringen.«
»Ja, Maman.« Sie schielte zu Philipp hinüber, der, umgeben von seinen Männern, bereits auf seinem Pferd saß. Ihre Lippen öffneten sich, doch ihre Stimme wurde übertönt von einem rauen Krächzen. Unsere Blicke fielen auf eine Linde in der unmittelbaren Nähe. Dort hockten zwei Raben auf dem untersten Ast und stießen ihre heiseren Schreie aus.
Schlagartig verstummten sie und musterten uns mit ihren unheilvollen schwarzen Augen.
»Ein Vorzeichen«, flüsterte Elisabeth. Ich wollte schon widersprechen, weil ich ihren Aberglauben nur als eine weitere unwillkommene Hinterlassenschaft aus Spanien betrachtete, doch ihr ernstes Gesicht ließ mich verstummen.
»Ihr werdet an das denken, was wir erörtert haben?«, fragte sie.
Ich widerstand dem Drang, sie zu tadeln. Unser Abschied sollte nicht durch einen Streit getrübt werden. »Das werde ich.«
Zum ersten Mal während des Besuchs schenkte sie mir ein aufrichtiges Lächeln. Für einen Moment löste sich die strenge Königin auf, und sie war wieder mein Kind, die Tochter, die mir so viel Freude bereitet hatte. »Ich liebe dich, Elisabeth«, murmelte ich. »Wenn du mich eines Tages brauchst, laufe ich zu Fuß über die Pyrenäen, um bei dir zu sein.«
Wir umarmten einander, dann wandte sie sich zu ihrem Pferd um. Wütend zerrte der Wind an ihrem Umhang.
Ich blieb am Ufer des Flusses zurück, bis der Reiterzug in der Ferne verschwunden war und Charles quengelte: »Sie sind weg. Können wir wieder reingehen? Ich bin am Verhungern.«
Ich nickte stumm und wandte mich, überwältigt von meinem Kummer, zum Gehen.
Über mir erhoben sich die Raben in den stürmischen Himmel.
26
Wir begaben uns auf die weite Heimreise, in deren Verlauf der Glanz unseres Zugs ebenso verblasste wie die goldenen Insignien an meiner Kutsche. Wenn ich auf die vorbeigleitende Landschaft hinausschaute, sah ich weder die sich mit dem Einbringen der Ernte abmühenden Bauern noch die Kinder und Frauen, die barfuß neben der Kutsche herliefen, um uns zuzujubeln. Was ich hörte, war nur immer die unnachgiebige, von ihren
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