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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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bitten.«
    Ich blickte ihm in die Augen, die sich mehr als alles andere an ihm verändert zu haben schienen. »Nein«, wehrte ich ab, »keine Entschuldigungen. Lassen wir die Vergangenheit lieber ruhen.«
    »Aber das können wir nicht. Wir müssen uns ihr stellen, denn nur so können wir Frieden finden.«
    Mir war nicht klar, welchen Frieden er meinte, und ich wollte es auch gar nicht wissen. Ich hatte einen Fehler gemacht. Ich wünschte ihn fort von diesem Hof, fort aus meinem Leben. Das Gewicht all dessen, was wir einander bedeutet hatten, all dessen, was zwischen uns gewesen war, erdrückte mich schier.
    »Ich habe aus Verzweiflung wegen meiner Frau gesündigt«, fuhr er fort. »Ich wusste nicht mehr weiter, hatte Angst und habe Euer Vertrauen missbraucht. Es war nie meine Absicht, Euch Leid zuzufügen. Ich werde nicht hierbleiben, wenn Ihr das nicht möchtet.«
    Ich traute meinen Ohren nicht. »Und Ihr sagt immer noch, die Wahl läge bei mir? Bei mir ? Nach allem, was geschehen ist, wollt Ihr immer noch mir die ganze Last aufbürden? Mir scheint, Ihr habt vergessen, wie all das begonnen hat und wie es zerstört wurde. Ich war nicht diejenige, die zu den Waffen gegriffen hat; ich war nicht diejenige, die …« Ich verstummte. Sein Gesicht, die Art und Weise, wie er die Kiefer anspannte, verriet mir, dass er es bereits wusste.
    »Ich werde gehen«, murmelte er, doch als er zu einer Verbeugung ansetzte, bellte ich: »Nein!«
    Er erstarrte.
    »Nein«, bekräftigte ich. »Mein Sohn hat Euch gebeten, uns zu dienen. Das ist seine Entscheidung, und ich habe nicht vor, sie zu widerrufen.« Ich reckte das Kinn vor. »Ihr wolltet meine Vergebung. Ich gewähre sie Euch.«
    »Dann«, erwiderte er, »werde ich mein Möglichstes tun, um mich ihrer wert zu erweisen.« Er reichte mir seinen Arm.
    Tränen schossen mir in die Augen, denn mir war eindringlich bewusst, dass alles, was wir gemeinsam erlebt hatten, für immer verloren war. Ich kämpfte die Tränen zurück und legte die Hand auf seinen Arm, um mich von ihm zum Bankettsaal geleiten zu lassen.

    Es gibt viele Möglichkeiten, sein Herz zu betrügen.
    Ich war jetzt siebenundvierzig Jahre alt, hatte schlimme Enttäuschungen und noch verheerendere Verluste erlitten, weigerte mich aber, um etwas zu trauern, das nie Wirklichkeit werden konnte. Lange genug hatte ich mich in Illusionen gehüllt und sie wie einen Schatz gehütet, doch jetzt fegte ich die Bruchstücke zusammen und warf sie weg. So wie der Winter dem Frühling weicht, konnte ich langsam akzeptieren, dass Coligny und ich nicht mehr füreinander von Belang waren, es sei denn in unserer jeweiligen Eigenschaft als Mutter und Berater des Königs. Wir sahen uns täglich bei den Sitzungen des Kronrats; abends begegneten wir uns bei den Feiern, blickten aber aneinander vorbei und beschränkten unsere Konversation auf Staatsangelegenheiten. Ich wusste, dass er den Hof häufig verließ, um zu seinen Kindern nach Châtillon zu reisen. Ohne mein Zutun hatte Birago einen von Colignys Bediensteten bestochen, uns über dessen Treiben auf dem Laufenden zu halten. Ein Teil meiner selbst sträubte sich zwar gegen Biragos Überzeugung, dass Coligny überwacht werden müsse, andererseits beruhigte es mich zu wissen, dass wir ihn jederzeit im Blick hatten.
    Coligny war freilich nicht der Einzige, den ich der Vergangenheit überantworten musste. Zitronenduft wehte in Fontainebleau durch mein Fenster herein, als mich eines Julinachmittags eine Nachricht aus Salon erreichte.
    Nostradamus war gestorben.
    Ich konnte nicht fassen, dass er tot sein sollte. Seine unerschütterliche Aura der Weisheit, seine Fähigkeit, in Tiefen zu sehen, die den meisten verborgen blieben, hatten ihn immun gegen den Fluch der Sterblichkeit wirken lassen. In meiner tiefen Trauer über seinen Verlust fiel mir erst jetzt die Sternkarte wieder ein, die immer noch versiegelt in dem Lederzylinder ruhte. Sogleich sandte ich sie mit der Bitte um Interpretation zu Cosimo nach Chaumont und stellte ihm in Aussicht, dass ich persönlich zu ihm kommen würde, sobald ich konnte.
    Eine Mitteilung über einen anderen Todesfall war da schon willkommener. Im Alter von sechsundsechzig Jahren hauchte Diane de Poitiers nach Jahren der Isolation in Anet ihr Leben aus. Ich erfuhr davon aus dem Brief eines Steuereintreibers. Einen Moment lang versank ich in Erinnerungen an unsere letzte Begegnung, als sie mit versteinerter Miene den Verlust ihres Rangs zur Kenntnis nahm und ich mich

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