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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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sondern er ersuchte mich, der englischen Königin einen angemessenen Heiratsantrag zu unterbreiten. Ich lächelte. Sie wusste genau, dass derlei diplomatische Übungen angesichts des Altersunterschieds zwischen ihr und meinen Söhnen Jahre dauern konnten. Sie würde die Bedenkzeit in die Länge ziehen und meine Geschenke nebst Schmeicheleien annehmen, während Coligny bald feststellen würde, dass das Gold aus ihren Schatztruhen aufgebraucht war.
    Sofort berief ich den Kronrat ein. Ich wusste schon vorher, dass Monseigneur mich drängen würde, statt um das häretische England zu buhlen, lieber den spanischen Beistand anzunehmen. Nun, ich hatte vor, mit einem Angebot meiner florentinischen Bankiers zu kontern.
    Doch als ich den Sitzungssaal betrat, wartete dort nur Charles mit Birago auf mich.
    Ich starrte die beiden verwirrt an. Mit gebrochener Stimme stammelte Charles: »Maman, wir haben eine Nachricht aus Spanien erhalten. Meine Schwester Elisabeth … sie … hat eine Fehlgeburt erlitten und …«
    Ich hob die Hand, um ihm Schweigen zu gebieten. Wortlos eilte ich zurück in meine von der Sonne aufgeheizten Gemächer. Dort sank ich auf meinen Gebetsschemel nieder und wartete mit gesenktem Kopf auf die Sintflut.
    Doch nichts kam. Nicht eine Träne.
    Das Einzige, woran ich mich erinnern konnte, waren die Stunden nach Elisabeths Geburt, als ich sie wie verzaubert im Arm gehalten und sie ihre großen Augen auf mich gerichtet hatte, als wäre ich alles, was sie sehen wollte. Noch immer spürte ich ihre makellose Haut, hatte ihren Säuglingsgeruch in der Nase und streichelte den zarten Flaum ihres dunklen Medici-Haars …
    Mit rot geweinten Augen kam Lucrezia zu mir. »Seine Majestät hat erklärt, dass er die Ratssitzung absagen und eine vierzigtägige Trauer ausrufen wird.«
    »Nein.« Ich zwang mich aufzustehen. Hinter ihr sah ich meine Zwergin Anna-Maria in ihr Taschentuch schluchzen. »Nein«, flüsterte ich. »Sag ihnen, dass ich teilnehmen werde. Ich brauche nur einen Moment …«
    In diesem Augenblick fielen mir wieder die Raben von Bayonne ein. Elisabeth hatte in ihnen ein übles Vorzeichen gesehen, und sie hatte recht behalten. Sie hatte Philipp zwei Töchter geschenkt, aber keinen Sohn.
    Als ich in den Sitzungssaal zurückkehrte, erhoben sich die Fürsten wie ein Mann. Mit einer Stimme, der kaum ein Zittern anzuhören war, erklärte ich: »Gott hat es gefallen, meine Tochter zu sich zu nehmen. Unsere Feinde sollten sich aber nicht zu früh freuen oder glauben, mein Zorn über ihren Verrat würde nachlassen. Philipp von Spanien ist nun Witwer und von Schmerz erfüllt wie wir, doch er braucht wieder eine Frau, denn er muss an seine Nachfolge denken.«
    Ich wandte mich an Monseigneur. Sein weichliches Gesicht verriet Triumph. Er hatte diesen Tag herbeigesehnt, an dem er mich endlich derart erschüttert über einen Verlust erleben durfte, dass ich Charles und das Königreich ihm zur sicheren Verwahrung anvertraute. Auch wenn ihn das Schicksal seiner Nichte Mary Stuart in die Verzweiflung treiben musste, war sie immer noch eine akzeptable Braut, die jedem katholischen Prinzen die schottische Krone verhieß, wenn er sie denn retten wollte. Dieser Prinz durfte aber auf keinen Fall Philipp sein. Er musste an uns gebunden bleiben, es sei denn, er hatte von meinen Hinhaltemanövern genug und fiel doch noch in unser vom Krieg verwüstetes Land ein.
    Sosehr ich mich auch danach sehnte aufzugeben, das konnte ich mir nicht leisten.
    »Ich wünsche, dass meine Tochter Margot die Stelle ihrer Schwester einnimmt«, erklärte ich. »Und Ihr, Monseigneur, werdet meinen Vorschlag König Philipp persönlich überbringen. Um meine Treue zu beweisen, werde ich zulassen, dass viertausend von seinen Männern uns in unserem Krieg gegen die Hugenotten Beistand leisten. Aber das ist alles, was ich bereit bin, ihm zuzugestehen.«
    Ich zog meinen Stuhl unter dem Tisch hervor. »Und jetzt, meine Herren, müssen wir einen Weg finden, La Rochelle zu schleifen.«

    In dieser Nacht löschte ich alle Kerzen und setzte mich auf den Boden. Lange musste ich warten – es kam mir wie eine Ewigkeit vor –, aber dann fand mich der Kummer, wie er das schon immer vermocht hatte.
    Um mich herum versank die Welt in Dunkelheit. Ich sah und fühlte nichts mehr.
    Bis zu der Vision.

28
    Ein bärtiger Mann galoppiert über eine verbrannte Ebene, übersät mit sterbenden und verwundeten Soldaten. Um sie herum tobt eine Schlacht, die sich langsam ihrem Ende

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