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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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nähert. Markerschütternde Schreie steigen in den aufgewühlten schwarzen Himmel. Das Pferd des Mannes keucht, sein Maul ist schaumbedeckt. Er blickt über die Schultern und rammt seinem Tier die Sporen in die Flanken. Vom Getümmel her jagt ein anderer Reiter in goldener Rüstung heran, mit der behandschuhten Faust ein scharfes Schwert schwingend. Unbarmherzig mäht er damit Gestalten in zerfetzten weißen Uniformröcken nieder. Seine Klinge scheint tausend Stellen zugleich zu treffen – hier enthauptet er einen Mann, dort jagt er einem anderen die Klinge durch die Brust, einem Streitross schlitzt er den Bauch auf und stößt seinen Reiter zu Boden. Doch er will den Mann, der vor ihm flieht, der drauf und dran ist, im Dunst zu verschwinden.
    »Verräter!«, brüllt der Mann in Gold. »Du wirst sterben! Du wirst für Frankreich sterben!«

    Ich bemühte mich, meine verklebten Lider zu öffnen. Als es mir endlich gelang, bemerkte ich eine Gruppe schattenhafter Gestalten, die sich um mein Bett drängten. Eine Hand drückte mir ein mit Kamille getränktes Tuch auf die Stirn. Ich versuchte zu sprechen. Mit heiserer Stimme krächzte ich: »Wasser … ich brauche Wasser.«
    »Gott sei’s gelobt, sie spricht!«, seufzte Lucrezia.
    »Natürlich spreche ich«, grummelte ich. »Habt ihr mich etwa für tot gehalten?«
    Langsam gewannen die ums Bett versammelten Personen deutlichere Konturen: Anna-Maria, die mit dem Kopf nur bis zur Taille meiner Tochter Margot reichte. Die türkisgrünen Augen meiner Jüngsten waren von tiefen Schatten umgeben, als hätte sie seit Wochen nicht geschlafen.
    »Du siehst ja schrecklich aus«, murmelte ich.
    Margot schenkte mir ein mattes Lächeln. »Und Ihr zeigt erste Anzeichen der Erholung.« Zu meiner Verblüffung brach Lucrezia in Schluchzen aus. »Wir dachten schon, wir hätten Euch verloren«, flüsterte sie und umklammerte meine Hand.
    Ich runzelte die Stirn. Anna-Maria nickte ernst, und dann brach schlagartig der Schmerz über Elisabeths Tod über mich herein. Einen Moment lang spürte ich den Drang, die Augen zu schließen und mich wieder dem Vergessen anheimzugeben. Doch das konnte ich nicht. Ich musste unseren Sturm auf La Rochelle organisieren, die Gesandten und Botschafter empfangen, die immer einen halben Schritt hinter mir zu sein schienen. Ich musste …
    Ich erstarrte; mein Blick wanderte über die ernsten Gesichter. »Wie lange liege ich hier schon?«
    Lucrezia hielt mir einen Kelch an die Lippen. »Über einen Monat.«
    »Einen Monat!« Erschrocken stieß ich ihre Hand zur Seite. »Das ist unmöglich! Was ist geschehen?«
    »Ein Fieber.« Lucrezia stellte den Kelch ab und nahm mir das Tuch von der Stirn, um es in eine neben dem Bett stehende Wanne zu tauchen, ehe sie es wieder so auflegte wie zuvor. Es fühlte sich angenehm kühl an, während es meine durstigen Sinne mit dem Geruch von Kräutern überflutete.»Ein Wechselfieber. Wir haben Euch in Euren Gemächern auf dem Boden gefunden. Die Ärzte waren machtlos. Sie haben Euch geschröpft, aber Ihr seid nicht aufgewacht. Wir haben abwechselnd bei Euch gewacht. Ach, Hoheit, der Schweiß brach in wahren Sturzbächen aus Euch heraus, und er war so kalt wie Eis. Aber Ihr habt Euch nicht bewegt. Ihr wart wie eine lebende Tote. Und als Ihr vorhin angefangen habt zu sprechen … dachten wir, das wäre das Ende.«
    »Was habe ich gesagt?«
    »Ihr habt von einer Schlacht gesprochen, von einem Reiter, der floh, und von einem Mann in Gold. Es hörte sich an wie …« Ihre Stimme erstarb.
    Ich spürte an den Armen die vielen Einstiche von den Aderlässen. Aber ich verschwieg ihnen, dass ich kein gewöhnliches Fieber gehabt hatte, sondern einen Rückfall in ein altes Kindheitsleiden. Eines, das mit meiner besonderen Gabe verbunden war.
    Ein Poltern an der Tür ließ uns alle hochfahren. »Ist sie wach? Spricht sie?« Charles kam zu mir ans Bett gestürzt. Seine Stirn war noch von Puder verschmiert. Bestimmt hatte er gerade wieder eine Rüstung angelegt. Am ganzen Leib nach Rauch riechend, beugte er sich über mich. »Maman, ist das wahr? Habt Ihr sie gesehen?«
    Ich blickte an ihm vorbei zu Margot, die über seine Schulter zu mir herspähte. Sie musste hinausgeschlüpft sein, um ihn zu holen. »Was«, fragte ich, »soll ich denn gesehen haben?«
    »Ihre Niederlage!«, rief er aufgeregt. »Wir haben La Rochelle angegriffen. Birago und ich haben alles organisiert, als Ihr krank wart. Philipps Spanier sind zu uns gestoßen. Wir haben die

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