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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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einander wie Turnierkämpfer abschätzten: Er war voller Neid und Begehrlichkeit und stimmte mich sehr nachdenklich, was die Tiefe von de Guasts Beziehung zu meinem Sohn betraf.
    Ein grelles Kreischen ließ mich zu Hercule herumfahren, der seine neuen Kleider längst beschmutzt hatte. Von allen möglichen Tabletts stiebitzte er Leckerbissen, was sich eine Gruppe von – mittlerweile weinseligen – Damen offenbar nicht gefallen lassen wollte. Zeternd setzten sie ihm nach und versohlten ihm mit ihren gefiederten Fächern den Hintern. Hercule war fast sechzehn Jahre alt und eine einzige Katastrophe. Trotz Margots Bemühungen zeigte er weder beim Lernen noch in seinem Verhalten Fortschritte, und ich zuckte zusammen, als ich Isabells strenges Stirnrunzeln bemerkte.
    Verdenken konnte ich ihr das nicht. Schließlich handelte es sich um ihr Hochzeitsfest, um ihre Einführung an unserem Hof – doch kaum waren die Tische abgeräumt worden, hatte sich auch der letzte Anschein von Sitte und Anstand in Chaos und Lasterhaftigkeit verwandelt. Damen und Herren verzogen sich in die Schatten der Wandpfeiler, um miteinander zu schäkern. Die Kesseltrommeln und Pfeifen der Musiker mischten sich mit dem kreischenden Gelächter der Betrunkenen, während die Tanzenden über die freie Fläche wirbelten. Zu Zeiten meines Schwiegervaters hätte es dergleichen nicht gegeben. So vergnügungssüchtig und freigeistig man auch schon damals gewesen war, nie hätten die Frauen ihr Mieder nach unten gezogen, um ihre Brustwarzen zu entblößen, oder die Männer sie wie in einem Bordell lüstern angefasst.
    Ich schenkte Isabell nach. »Der Hof …«, murmelte ich, um Nachsicht werbend. »Wir haben schon seit einiger Zeit kein Fest mehr gefeiert. Wir hatten Krieg, und jetzt bricht sich ihre Lebensfreude eben Bahn …« Ich verlor endgültig den Faden, als ich bemerkte, wie die letzten Reste von Farbe aus ihrem Gesicht wichen und ihr die Augen förmlich aus dem Kopf sprangen.
    Ich folgte ihrem starren Blick. Um uns herum stockte das Lachen, bis es erstarb.
    Mit wehendem schulterlangem Haar und gebauschtem Hemd, dessen bis zu den Ellbogen hochgekrempelte Ärmel den Blick auf seine gebräunten Unterarme freigaben, stürmte Charles zum Podest. An seiner Seite befand sich Coligny.
    Mit hallender Stimme verkündete mein Sohn: »Admiral de Coligny möchte meine Königin begrüßen.«
    Coligny verbeugte sich. Das letzte Mal waren wir uns vor fünf Jahren so nahe gewesen. Zu meiner Überraschung wirkte er kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte, und seine kantigen Züge waren von Entbehrungen gezeichnet. Seine Augen waren immer noch klar und durchdringend, doch er erweckte den Eindruck, als drückte ihn all das nieder, was er im Namen seines Glaubens gesehen und getan hatte. Ein Mann, den die Doktrin seiner Kirchenführer gezwungen hatte, seine eigenen Ideale zu opfern.
    Er kommt in die Jahre, dachte ich. Er ist alt und schwach geworden. Ich habe nichts mehr von ihm zu befürchten.
    »Seigneur«, sagte ich, »willkommen am Hof.«
    »Danke. Eure Hoheit sieht gesund aus. Ich darf annehmen, dass Ihr …?«
    »Mir geht es gut. Darf ich Euch meine Schwiegertochter vorstellen, Ihre Hoheit Königin Isabell?«
    Er setzte zu einer Verbeugung an, als Isabell sich abrupt mit raschelnden Seidenröcken erhob. Mit einem knappen Nicken zwang sie ihn, zur Seite zu treten, damit sie vom Podest herabsteigen konnte. Bevor sie den Saal verließ, deutete sie einen Knicks vor Charles an. Am liebsten hätte ich Beifall geklatscht. Anscheinend besaß sie die ideale Mischung aus Mut und Kaltblütigkeit.
    »Ihre Majestät hat sich schon vor Eurer Ankunft über Kopfschmerzen beklagt«, erklärte ich, als ich sah, wie sich Charles’ Wangen rot färbten. »Sie hat einen langen Tag hinter sich und muss sich ausruhen.«
    »Selbstverständlich«, erwiderte Coligny. »Ich verstehe.«
    »Der Admiral hat sich bereit erklärt, am Hof zu dienen«, erklärte mir Charles, das Kinn herausfordernd vorgereckt. »Er sagt, es wird ihm eine Ehre sein, seinen Sitz im Kronrat wieder einzunehmen und uns dabei behilflich zu sein, Frieden zu schaffen.«
    »Ist das so?« Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Nun, dann lasst uns mit dem Frieden zwischen Euch und Eurer neuen Braut beginnen, ja? Schließlich ist heute Eure Hochzeitsnacht.«
    Ich wappnete mich schon für eine schneidende Bemerkung, doch stattdessen murmelte Charles nur: »Ja, natürlich. Ich sollte sie nicht vernachlässigen.« Er klopfte Coligny

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