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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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immer.

32
    Drei Tage später versammelten wir uns in Notre-Dame, um Navarras Konversion zu feiern. Als er sich vor dem Altar niederkniete und vom unablässig feixenden Monseigneur die Hostie entgegennahm, konzentrierte ich mich nur noch auf Navarras Rücken, um mir das triumphierende Grinsen der katholischen Adeligen und Höflinge zu ersparen, die das Gemetzel überlebt hatten, das schon jetzt als »die Blutnacht« in einer Reihe mit den berüchtigtsten Massakern der Weltgeschichte genannt wurde.
    Bei aller Erschütterung gab ich mir jede Mühe, eine ungerührte Miene zu wahren, denn niemand sollte mir Scham oder Furcht anmerken angesichts dessen, was ich getan hatte. Nachdem ich alles darangesetzt hatte, mit der Verbindung zwischen Margot und Navarra Frieden zu schaffen, stand dieser Friede bereits wieder auf des Messers Schneide. Frankreich drohten größere Gefahren als je zuvor, und darum saß ich Tag und Nacht an meinem Pult, um Erklärungen an England und die Niederlande sowie andere lutheranische Mächtige zu verfassen, während gleichzeitig deren empörte Verurteilung und die schadenfrohen Glückwünsche aus Spanien und Rom eintrafen.
    Abgesehen von Notre-Dame war ganz Paris in Blut gebadet. Kaum hatte das Massaker begonnen, hatten sich nur noch wenige damit aufgehalten, zwischen Protestanten und Katholiken zu unterscheiden. Die Volksmassen hatten einfach die Gunst der Stunde genutzt, um ungestraft aufeinander einzuschlagen, sodass Hunderte von Unbeteiligten dem Gemetzel zum Opfer gefallen waren. Leichen trieben die Seine hinunter; Gassen und Brücken waren mit Toten übersät. Die Furcht vor Seuchen breitete sich aus, und während die Überlebenden mit allem, was sie tragen konnten, flohen, ließ ich außerhalb der Stadtmauern Massengräber ausheben, wo die Toten abgeladen und mit ungelöschtem Kalk bedeckt wurden, damit sie schneller verwesten.
    Verstört und schuldbewusst legte mein Sohn Henri bei mir die Beichte ab. Schweigend lauschte ich seiner Schilderung darüber, wie er und Guise mit ihren Männern in Colignys Stadthaus eingedrungen waren und die völlig ahnungslosen hugenottischen Adeligen überrumpelt hatten. Und während diese Männer im Kampf für ihren Anführer das Leben hingaben, stürmte Guise die Treppe hinauf, zerrte Coligny aus dem Bett und stach immer wieder auf ihn ein, ehe er ihn aus dem Fenster warf. Selbst in Blut gebadet, beobachtete er dann triumphierend, wie Coligny auf dem Kopfsteinpflaster aufprallte und einer seiner Gefolgsmänner dem Toten den Kopf abhackte. Später hängte Guise den Schädel wie eine Trophäe an seinen Sattel und preschte damit durch die Straßen, um die Meute noch weiter anzustacheln. Wer es von den Hugenotten nicht schaffte, sich hinter verrammelten Türen zu verschanzen, fiel dem Hass der entfesselten Katholiken zum Opfer und wurde in einem wahren Blutrausch abgeschlachtet.
    »Ich schwöre Euch, ich habe versucht, es zu beenden«, beteuerte Henri mit zitternder Stimme. »Aber Guise hatte Geheimbefehle ausgegeben, und seine Gefolgsleute hatten im Louvre bereits begonnen, jeden umzubringen, der das Armband nicht trug. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es war ein einziger Albtraum, dem ich nicht entkommen konnte.«
    Ich nickte. Mir fehlte die Kraft, ihn zu verdammen. Noch nie hatte ich ihn so gesehen. Zumindest zeigte er Reue. Allein schon seine versteinerte Miene bewies mir, dass er sich nicht willentlich an diesem Gemetzel beteiligt hatte. Seine Jugend und Unerfahrenheit hatten ihn in die Irre geführt. In seinem Eifer hatte er jedes Maß und Ziel aus den Augen verloren.
    »Du hast dich gegen meinen Willen mit Guise verschworen«, hielt ich ihm mit leiser Stimme vor. »Aber dich trifft keine Schuld. Das alles war mein Fehler. Ich hätte nicht noch einmal versuchen dürfen, Coligny zu töten, nachdem der erste Anschlag missglückt war. Geh jetzt. Achte gut auf Navarra und sorge dafür, dass Guise Paris auf der Stelle verlässt. Er soll sich von der Hauptstadt fernhalten, bis ich anderweitig entscheide. Er ist zu weit gegangen.«
    Nachdem mein Sohn sich entfernt hatte, kehrte Birago, erschöpft von seinen Bemühungen, das Chaos unter Kontrolle zu bringen, zurück. Er meldete mir, dass Hugenotten aus allen Teilen Frankreichs in wilder Flucht die Grenzen nach Genf überrannten. Dort wurde ich jetzt als die biblische Königin Jezebel gebrandmarkt. Auf gedruckten Pamphleten wurden sämtliche niederträchtigen Gerüchte wiederholt, die im Laufe der Jahre über

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