Die florentinische Prinzessin
mich verbreitet worden waren: Ich war die italienische Schlange, ein abscheuliches Ungeheuer, das mit Spanien ein Komplott geschmiedet hatte, um den Glauben der Hugenotten auszurotten. Während ich früher jede Schuld sofort voller Empörung von mir gewiesen hätte, bat ich jetzt Birago leise, nichts zu unternehmen. Sollten ruhig alle Verleumdungen auf mir abgeladen werden, solange nur keine Vorwürfe an meinen Söhnen hängen blieben.
Was Coligny betraf, war die Abwesenheit von Gefühlen über seinen brutalen Tod eine rein persönliche Angelegenheit, über die ich nicht einmal mit meinen engsten Vertrauten sprach. Als ich in der Nacht allein in meinen Gemächern weilte und hörte, wie meine Bediensteten draußen die Korridore schrubbten, wartete ich darauf, von der Trauer überwältigt zu werden, und machte mich auf einen Schmerz gefasst, der mir das ganze Ausmaß meiner Schuld schonungslos vor Augen führen würde. Da nichts dergleichen geschah, fürchtete ich, all der Hader und Verrat hätten mein Herz versteinern lassen und für Gefühle jeglicher Art verschlossen. Als ich erfuhr, dass Colignys verstümmelte Leiche immer noch so, wie Guise sie zurückgelassen hatte, an dem improvisierten Galgen hing, ließ ich sie abnehmen und den Kopf zu mir bringen.
Das Eis in mir brach erst in dem Augenblick auf, als der mit dieser Mission beauftragte Soldat den Leinensack öffnete und zurückwich, damit ich das leblose Gesicht betrachten konnte. Alle Wunden waren mittlerweile gewaschen worden, sodass es eher einer Wachsbüste irgendeines Menschen glich, den ich einmal gekannt hatte. Von der gefährlichen Lebenskraft, die ich einst geliebt und zu fürchten gelernt hatte, war keine Spur zu erkennen, nichts an dieser erstarrten Miene zeugte von dem Stolz, an dem ich mich so ergötzt hatte. Zögernd streckte ich eine zitternde Hand aus, um seine kalten, weißen Lippen nachzuzeichnen, die jetzt für immer zu einer Grimasse des Schmerzes verzerrt waren, und plötzlich brach all mein Kummer aus mir heraus.
Ich wandte mich ab. »Nein«, flüsterte ich. » Dio mio, no …«
Lucrezia verscheuchte den Soldaten mit einer Geste, dann nahm sie mich in die Arme, während ich mein Nein! ein ums andere Mal wiederholte. In diesem Moment wusste ich, dass mit Coligny auch etwas in mir gestorben war und ich nie wieder dieselbe sein würde. Nichts mehr war übrig von dem Mädchen, das ich einst gewesen war, oder von der naiven Heranwachsenden, die zum ersten Mal in ihrem Leben französischen Boden betrat. Coligny war von Anfang an da gewesen; er hatte meine Unschuld erkannt. Von all den Menschen in meinem Leben hatte er als Einziger die Person berührt, die ich einst zu werden gehofft hatte.
Und jetzt war er tot, weil ich es befohlen hatte.
Obwohl er als Verräter gestorben war und seine Ländereien damit an die Krone fielen, ließ ich seine Leiche zu einem Staatsbegräbnis nach Châtillon bringen und gewährte der Witwe mitsamt den Kindern für seine jahrelangen Dienste eine Rente auf Lebenszeit. Das war meine Wiedergutmachung, mein letztes Geschenk für ihn – sonst hätte ich nicht gewusst, wie ich mich von ihm hätte verabschieden können.
Unterdessen kehrte Navarra mit steinerner Miene, die nichts darüber verriet, welchen Preis er für sein Leben gezahlt hatte, zu uns zurück. Während ich ihn aufmerksam beobachtete, vermochte ich nicht länger, mich vor der Öffentlichkeit zu zügeln. Ich spürte selbst, wie sich ein Ausbruch all dessen, was sich an Erschöpfung und Angst in mir gestaut hatte, anbahnte, und als Navarra neben Margot Platz nahm und sie mir einen finsteren Blick zuwarf, konnte ich ihn nicht länger unterdrücken. Ich warf den Kopf zurück und lachte laut.
Ich war immer noch eine Medici. Ich würde überleben.
Wir zogen nach St. Germain und überließen den Louvre sich selbst und seinen Gespenstern. Ich sorgte mich um Charles, der einen Fieberanfall erlitten hatte. Dr. Paré untersuchte ihn umgehend und meldete mir, dass das Fieber zwar ernst sei, aber beizeiten fallen würde. Doch Charles hätte ihm anvertraut, dass er nicht schlafen könne. Darum empfahl Paré eine tägliche Dosis verwässerten Mohn und mahnte uns, alles von Charles fernzuhalten, was seine Sinne reizen konnte; seiner Meinung nach hatten die Nerven meines Sohnes der Belastung durch die jüngsten Ereignisse einfach nicht mehr standgehalten.
Navarra zog mit uns um. Nach außen hin war er kein Gefangener, auch wenn Henri ihn im Auge behielt. Er hatte
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