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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Ist sie bei dir?«
    Isabell schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist nicht zum Essen gekommen. Sie … sie hat eine Nachricht gesandt, dass sie bei ihrem Gemahl sein wollte.«
    » Dio mio ! Sie ist bei Navarra!« Ich streckte die Hand aus. »Gib mir deine Armbinde.« Isabell starrte mich wie versteinert an. »Schnell, Mädchen!«, rief ich, und nervös nestelte sie daran herum, bis sie sie endlich gelöst hatte.
    »Hoheit, bitte! Das dürft Ihr nicht! Navarra ist ein Hugenotte; die bringen Euch auch noch um!« Verzweifelt klammerte sich Lucrezia an mich, konnte mich aber nicht daran hindern, mir das Tuch um den linken Ärmel zu binden.
    »Niemand wird mich umbringen.« Ich sah ihr in die Augen. »Ich bin die Königinmutter. Sie glauben, ich …« Die Stimme brach mir. »Sie glauben, ich hätte das befohlen.«
    »Ich gehe mit Euch!«, bot Lucrezia an.
    »Nein. Das ist nicht sicher. Allein komme ich besser zurecht. Du bleibst bei Ihrer Majestät. Verriegelt die Tür und lasst niemanden herein. Hast du verstanden? Gleichgültig, wer es ist, ihr lasst niemanden herein!«
    Während Isabell Lucrezia hineinzerrte, lief ich bereits unter den flackernden Fackeln den Gang hinunter zu der Ecke, um die die kreischenden Frauen verschwunden waren. Jetzt plötzlich ganz allein, kam ich mir vor, als wären sämtliche Sinne aufs Äußerste geschärft, sodass selbst die durch die Entfernung gedämpften Geräusche des Todes in den anderen Flügeln des Palastes nicht nur deutlich vernehmbar blieben, sondern in meinen Ohren zu einer tosenden Flut anschwollen, der ich nicht entrinnen konnte.
    Und als ich so durch den Palast lief, in dem mein schlimmster Albtraum Gestalt annahm, in dem ich zusammen mit meinem Mann gelebt, meine Kinder großgezogen und für mein Land gekämpft hatte, fiel mir wieder der Traum ein, den ich nach der letzten Begegnung mit Nostradamus gehabt hatte. Ich erinnerte mich an die schattenhaften Gestalten, die Glocke und die Schreie. Aufs Neue sah ich mich durch Blut waten. Was mir damals ein Rätsel gewesen war, begriff ich jetzt mit furchtbarer Klarheit.
    Mein Versuch, einen einzigen Mann zu töten, sollte nun dazu führen, dass das Blut Tausender an mir kleben würde.
    Und vielleicht war es sogar schon zu spät, jenen Prinzen zu retten, den ich gemäß einer Weissagung schützen musste.
    Als ich in den nächsten Flur gelangte, wären mir auf dem feuchten Boden fast die Füße weggerutscht. Statt nach unten zu blicken, konzentrierte ich mich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und das ohrenbetäubende Kreischen aus einer der Kammern zu ignorieren.
    »Navarra«, flüsterte ich. »Navarra darf nicht sterben.«
    Ich erreichte das Ende des Korridors, wo rechts von mir eine offene Arkade zum Garten führte. Ich blieb abrupt stehen, als ich dort neben einem Haufen aus abgelegten Kleidern eine Gruppe nackter Hugenotten bemerkte. Soldaten in unserer Livree hielten sie in Schach. Die Männer wehrten sich brüllend, die Frauen verbargen schluchzend das Gesicht in den Händen. Indes durchbohrten die Soldaten sie mit ihren Spießen und sichelten sie nieder wie Getreideähren. Und ich musste mitansehen, wie sie einer über den anderen fielen, teilweise tot, teilweise noch am Leben. Und dann begannen die Soldaten, wahllos auf diesen Haufen aus Leibern einzustechen.
    Ich fing an zu beten. »Nicht Navarra. Bitte, barmherziger Gott, verschone ihn!«
    Ich lief weiter. Eines wusste ich: Wenn Navarra noch lebte, dann konnte er sich nur in den Gemächern des Königs aufhalten. Was auch immer im Palast geschehen mochte, welcher Wahnsinn auch immer entfesselt worden war, niemand würde es wagen, ihm ein Härchen zu krümmen, solange er bei Charles blieb. Ich betete zu Gott, dass Margot irgendwie Wind von den Plänen bekommen hatte und dann, statt Isabell zu besuchen, alles daran gesetzt hatte, die Wachposten vor Charles’ Gemächern mit Bestechung oder Befehlen fortzuschicken, damit sie Navarra dort in Sicherheit bringen konnte.
    Je länger ich durch die Korridore lief, desto mehr Leichen tauchten vor mir auf, allesamt ihrer Kleider beraubt, die toten Augen weit aufgerissen und jede mit aufgeschlitzter Kehle und aus dem Bauch quellenden Eingeweiden. Unablässig glaubte ich, meine Tochter mitten unter ihnen liegen zu sehen, das wunderschöne Haar von Blut verfilzt. Irgendwann hörte ich ein leises Wimmern, das aus dem Nichts zu kommen schien, bis ich erkannte, dass es meine eigene Stimme war.
    Eine schrille Lachsalve in meinem

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