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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Konnetabel vorbeiging, warfich einen Blick auf seinen Neffen. Gaspard hielt den Kopf gesenkt; vergebens hoffte ich darauf, seine Augen noch mal zu sehen.
    Pagen in den blau-weißen Farben der Valois’ öffneten die Tür. François ließ mich in der Obhut meiner Frauen zurück; ich sprach nicht mit ihnen, als sie mich aus meiner Robe befreiten, begegnete nur Lucrezias wissendem Blick, als ich mich in das unvertraute Bett niederlegte.
    Endlich allein, lag ich wach und dachte, dass meine Tante Clarissa sich vielleicht geirrt hatte.
    Ich war wohl doch nicht so wichtig.

6
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, fand ich meine Frauen um mich versammelt. Ich hatte seit mehr als einer Woche schlecht geschlafen und vergrub den Kopf in den Kissen. Lucrezia wagte es, mich an der Schulter zu rütteln. »Madama, Seine Majestät und der Hof erwarten Euch. Die Zeremonie, Ihr wisst schon, sie ist für heute anberaumt.«
    Ich stöhnte, spähte unter den Kissen hervor. Ich konnte den Lavendel in der Kupferwanne riechen, die sie ins Zimmer gebracht und mit heißem Wasser gefüllt hatten. Auf dem Tisch bauschte sich in üppigen Falten mein Hochzeitsgewand. »Ist er da?«, fragte ich.
    Anna-Maria schüttelte betrübt den Kopf. Ein Gefühl der Demütigung durchflutete mich. »Und was nun?«, maulte ich. »Wen soll ich denn heiraten, wenn er nicht da ist?«
    »Ganz einfach«, entgegnete Lucrezia ungerührt. »Wenn nötig, sagt Seine Majestät, wird die Hochzeit mit einem Stellvertreter abgehalten.«
    Anna-Maria brach in Tränen aus. Ich sei, schluchzte sie, gewiss die unglücklichste Prinzessin der gesamten Christenheit.
    »Wer weiß.« Ich versuchte, mich von meiner misslichen Lage nicht zu sehr entmutigen zu lassen. »Aber es gibt sicher glücklichere.« Ich überließ mich den Handreichungen meiner Frauen und trat zwei Stunden später hervor, angetan mit meiner himmelblauen Samtrobe; die arabeskenförmigen Diamantborten meiner Ärmelaufschläge scheuerten wie scharfe Scherben an meinen Handgelenken.
    Trotz der stickigen Hitze drängte sich eine riesige Menschenmenge im Schlosshof. Ich war entsetzt. Gott helfe mir, das hatte ich nicht gewollt. Ich wollte keinen Kerl heiraten, der nicht einmal den Anstand hatte, sich blicken zu lassen. Dann trat François zwischen seinen Höflingen hervor. Er verneigte sich, hob meine Hand an die Lippen. Sein Lächeln war sardonisch. »Ihr sagtet, vielleicht solltet Ihr stattdessen mich heiraten. Nun, jetzt habt Ihr die Chance.«
    Ich musste lächeln. Ein alternder Satyr, war er dennoch faszinierender als jeder Mann, den ich je getroffen hatte.
    In der Kathedrale dann war das Meer von Höflingen und Ehrengästen zu einem Ozean angeschwollen. Wieder hefteten sich alle Augen – glitzernd wie die von Raubvögeln über gepuderten Wangen – auf mich, als ich aus der Kutsche stieg und dem Impuls widerstand, die schweißgetränkten Falten meines Gewandes zwischen meinen Pobacken hervorzuziehen. François geleitete mich zum Altar, dahinsegelnd wie eine Galeone in meinem aufgebauschten Kostüm. Auch am Altar war nichts von meinem Bräutigam zu sehen.
    Der König stand mir zur Seite. Der Bischof sah aus, als wünschte er, die Erde möge ihn verschlingen. François blaffte: »Und? Worauf warten wir? Die Braut ist da, und ich agiere als Stellvertreter. Auf, Mann, walte deines Amtes!«
    Ob die Hochzeit mit Königin Eleonore wohl auch so abgelaufen war? Politische Ehen waren naturgemäß nicht dazu angetan, Sonette zu inspirieren. Doch selbst bei rein politischen Allianzen waren zumindest beide Parteien anwesend.
    Der Bischof blätterte in seinem Brevier, als suchte er die richtige Passage, obwohl er reichlich Zeit zur Vorbereitung gehabt hatte. Fast hätte ich losgekichert. Die ganze Angelegenheit kam mir lächerlich vor, die Farce einer Heirat, die auf einer Lüge gründete.
    Plötzlich durchbrach Sporengeklirr auf den Marmorfliesen die Stille. In einer einzigen fließenden Bewegung wandten alle sich um. Ich sah einen hochgewachsenen Jüngling auf uns zukommen, der sich seine Lederhandschuhe herunterriss und in den Gürtel stopfte. Hinter ihm tummelte sich eine ziemlich zerzauste Horde von Begleitern. François erstarrte. Keiner brauchte mir zu erklären, dass der Bräutigam eingetroffen war.
    Als ich Henri d’Orléans zum ersten Mal sah, empfand ich vor allem Erleichterung. Wenigstens war er nicht hässlich. Mit vierzehn Jahren hielt er die breiten Schultern straff, mit der Disziplin eines geborenen Reiters –

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