Die florentinische Prinzessin
wölbten; majestätische Wälder, die bis zum Horizont reichten, und fruchtbare Felder, die weitläufige Städte umschlossen, wo Nutztiere auf geräumigen Koppeln grasten und Flüsse in lieblichen Windungen unter Steinbrücken dahinrauschten. An meiner Seite ritt Lucrezia, ebenso staunend wie ich, und Anna-Maria, die all unsere Reisen mit bewundernswertem Gleichmut durchgestanden hatte, wunderte sich immer wieder: »Es ist wie ein Märchenbuch, zu schön, um wahr zu sein.«
Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Frankreich war einfach bezaubernd, und vielleicht konnte ich hier doch auf unvorhergesehene Weise mein Glück finden, frei, mich neu zu erschaffen, ohne die Last der Vergangenheit. Alles schien möglich in so einem wundervollen Land; und als der König meinen Blick auffing, zwinkerte er mir zu, als könne er meine Gedanken lesen. »Wartet, bis Ihr mein Château in Fontainebleau seht. Ich habe keine Ausgaben gescheut, um einen Palast zu erschaffen, der sogar neben den Palazzi der Medici bestehen kann.«
Er hatte recht. Fontainebleau tauchte aus den Alabasternebeln des Loire-Tals auf wie ein fantastischer Traum – der erste Ort in Frankreich, an dem ich mich heimisch fühlen sollte. Von den vergoldeten Stucknymphen, welche die Täfelung der großen Galerie zierten, bis hin zu der üppigen Gemäldesammlung, darunter Leonardo da Vincis herrliche Felsen madonna und seine seltsame kleine Gioconda , war Francois’ Leidenschaft für alles Italienische unübersehbar. Er hatte versucht, eine Vision meines Landes auferstehen zu lassen, die ich nicht mehr teilte, eine Vision von Kunstsinn und Lebensfreude, und er war so beglückt von meinem Interesse, dass er mich höchstselbst durch die Schlossanlage führte und mir die oleanderrot ausgemalten Ziergrotten zeigte, die an toskanische Höfe erinnerten, und Badekammern, die mit geheizten Böden und Mosaiken wie im alten Rom prunkten.
Ich erfuhr bald, dass von Henri und mir nicht erwartet wurde, einen gemeinsamen Haushalt zu führen. Königliche Ehepaare lebten nicht zusammen wie gewöhnliche Leute. Königin Eleonore hielt sich nie am Hof auf, sondern zog es vor, auf eigenen Anwesen zu leben, und diese taktische Distanz nahm ich mir zum Vorbild. Ich überließ Birago die Betreuung meiner Finanzen und tauchte rückhaltlos in mein neues Leben ein, wozu auch Schulstunden mit den Prinzessinnen Madeleine und Marguerite gehörten.
Wie ich gehofft hatte, wurden wir gute Freundinnen.
Die dreizehnjährige Madeleine war ein zartes Wesen mit einem Porzellanteint und schwachen Lungen. Sie liebte die Poesie, die sie sogar las, wenn sie krank war; viele Nachmittage verbrachte ich an ihrem Bett und las ihr vor. Im Kontrast dazu war die zehnjährige Marguerite groß gewachsen und robust wie ihr Vater, ein sommersprossiger Rotschopf, der gern über die Stränge schlug. Anfangs gab sie sich damit zufrieden, mich bezüglich meiner Kenntnisse von Cicero und Plato zu quälen; doch als das Schulzimmer ihr zu eng wurde, stiftete sie mich zu Ausflügen an, um Fontainebleaus weniger augenfällige Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Natürlich waren wir nie allein; unsere Hofdamen bewachten und maßregelten uns, bis Marguerite mit einem übermütigen Lachen meine Hand ergriff und mit mir vor unseren erschrocken gackernden Damen davonrannte, die in ihren steifen Roben nicht mit uns Schritt halten konnten.
»Seht sie Euch an«, kicherte Marguerite, als wir atemlos unser Ziel erreichten. »Wie Hennen, die nichts weiter können, als mit den Flügeln zu schlagen. So werde ich nie, wenn ich alt genug bin, über mein Leben zu bestimmen. Ich werde nie eine nutzlose Person sein.«
»Natürlich nicht«, sagte ich voller Bewunderung. Sie kam mir schon ganz erwachsen vor, und genau so, wie ich sein wollte. »Ihr seid eine Prinzessin. Ihr könnt tun, was immer Euch beliebt.«
»Stimmt.« Sie blickte mich aus großen grünen Augen an. »Ich bin eine Prinzessin. Doch selbst Prinzessinnen können nicht tun, was ihnen beliebt, wenn sie keinen Kampfgeist besitzen. Seht Euch an: Seid Ihr nicht ungefragt an meinen Bruder verheiratet worden?«
Sie wollte mich nicht kränken. Sie sagte nur, was sie dachte. Doch bei Henris Erwähnung hatte es mir einen Stich versetzt. Ich erinnerte mich daran, was er über mich gesagt hatte; gewiss betrachteten mich auch andere am Hof als fremdländische Aufsteigerin, die nichts vorzuweisen hatte.
»Mir fehlt es nicht an Kampfgeist«, gab ich zurück. »Viele Prinzen
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