Die florentinische Prinzessin
einer, der sein Leben am liebsten im Sattel verbracht hätte und alles gering schätzte, was sich nicht mit Peitsche und Zügel beherrschen ließ. Er hatte die Adlernase der Valois’, schmale Augen und rabenschwarzes Haar, doch seine Miene war missmutig. Ohne seine Kleidung gewechselt zu haben, kam er im Jagdanzug zu seiner Hochzeit, mit getrockneten Blutflecken auf dem Wams, zweifellos von einer Kreatur, die er geschlachtet hatte. Hinter ihm erspähte ich einen langen Kerl von etwa zwanzig Jahren, mit schmalem Gesicht und scharfen Zügen, der mich ansah, als sei ich etwas Ekelhaftes, in das er reingetreten sei. Er schürzte ironisch die Lippen. Das war Francis de Guise, wie ich später hörte, Henris engster Freund, ältester Spross der ehrgeizigsten und fanatisch katholischen Familie des Reiches, die von François mit einem Herzogtum geadelt worden war und seither weite Ländereien im Nordosten von Frankreich besaß.
Ich hob das Kinn. Mein Bräutigam sagte kein Wort.
»Undankbarer!«, zischte François. Es lief mir kalt über den Rücken, als Henri sich nicht einmal die Mühe machte, zu seinem Vater hinzusehen. Meine Hochzeit wurde langsam zur Katastrophe; ich musste eingreifen. Ich war eine Medici, Nichte des Papstes. Vor allem aber war ich das Kind meiner Tante, und darauf kam es an.
Ich wandte mich dem Bischof zu. »Würdet Ihr bitte …?« Und François trat beiseite, um Henri seinen Platz einnehmen zu lassen. Der roch noch schlimmer, als er aussah, und ich sah starr vor mich hin, während ich die Worte wiederholte, die mich zu Henri d’Orléans’ Ehefrau machten.
Nach der Hochzeit mussten wir noch ein Bankett über uns ergehen lassen.
Diesmal saß Henri neben mir auf der Empore, und obwohl wir uns keines Blickes würdigten, war ich mir sicher, dass die bevorstehende Nacht uns beiden zu schaffen machte. So sehr sogar, dass ich von keinem der siebenundfünfzig Gänge kosten mochte, die uns in verwirrend schneller Folge vorgesetzt wurden, noch Freude über die Geschenke heucheln konnte, die die Gäste zu unseren Füßen anhäuften.
Schlag Mitternacht quetschten sich Hunderte von Höflingen in die Schlosskorridore, um uns auf unserem Weg ins Brautgemach mit Hochrufen zu ermuntern. Ich ließ mir mein Brautkleid ausziehen und ein Batistnachthemd überstreifen, dann wurde ich in den angrenzenden Raum geführt. Henri stand neben einem girlandengeschmückten Himmelbett und unterhielt sich mit seinem Freund, dem Raubvogelgesicht. Mein Ehemann trug ein durchsichtiges Leinenhemd, das an seinem muskulösen Körper klebte wie an nasser Haut. Die meisten Frauen, und viele Männer, wären überglücklich gewesen, einen solchen Mann in ihrem Bett zu haben. Vielleicht ging es mir ebenso, denn mein Herz pochte wie eine Trommel. Doch ich schämte mich vor dem geilen Grinsen seines Freundes Francis de Guise und ließ mich von Lucrezia eilig unter die Decke packen. Der Bischof segnete das Bett; die Höflinge tranken noch einmal auf unser Glück, und die Kandelaber wurden gelöscht. Alle gingen, um weiterzufeiern.
Stille senkte sich herab. Ich lag vollkommen reglos da.
Es war nicht so, dass ich nicht wusste, was Leute in ihrer Hochzeitsnacht machten. Lucrezia hatte mir eine kurze Erklärung gegeben, und ich hatte Hunde sich paaren sehen; dennoch war die Vorstellung nicht gerade angenehm.
Er stand vom Bett auf. Ich stieß meinen angehaltenen Atem aus. Er würde es doch wohl nicht wagen, mich allein zu lassen! Dann leuchtete eine Flamme auf, und er trat mit einer Kerze aus dem Schatten hervor. Er stellte die Kerze neben dem Bett ab, setzte sich auf den Bettrand und räusperte sich.
»Ich möchte mich für jedwede Kränkung entschuldigen, die ich Euch zugefügt haben könnte.«
Beim Klang dieser ersten Worte, die er an mich richtete, setzte ich mich in den Kissen auf.
»Ich unterließ es, Euch zu grüßen. Mein Benehmen war unverzeihlich.«
Seine Entschuldigung klang gestelzt, und ich argwöhnte, dass der König ihn gerügt hatte.
»Ganz recht«, sagte ich. »Gewiss habe ich nichts getan, was solch eine Kränkung verdient hätte.«
Er blickte zur Seite. Die Kerzenflamme warf einen flackernden Schatten über sein Kinn. So würde er eines Tages aussehen, dachte ich, wenn ihm ein Bart wachsen würde. Er war überaus hübsch, auch wenn er noch immer wie ein Ziegenhirte roch, aber deswegen musste ich ihn ja nicht unbedingt gernhaben. Ich hatte das Gefühl, es würde mir weit besser ergehen, wenn ich es bleiben
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