Die florentinische Prinzessin
Massaker angezettelt hatte, und einige gingen sogar so weit, dass sie bei meinem Nahen zwei Finger in die Höhe reckten, um meinen bösen Blick abzuwenden.
Mich interessierte allerdings weniger, wie sie über mich dachten, vielmehr wollte ich sehen, wie es um das Verhältnis zwischen ihnen und Navarra stand. Dass sie ihn liebten, war unbestreitbar. Wo er sich auch zeigte, drängten sich seine Untertanen um ihn; stets ging er auf sie zu, ohne je Sorge um seine Unversehrtheit zu verraten, und hörte sich ihre Klagen mit einzigartiger Aufmerksamkeit an. Für mich stand fest, dass er seit der Abreise aus Frankreich hart daran gearbeitet hatte, den Eindruck vom nachlässigen Gecken vergessen zu machen und sich vielmehr den Ruf des standhaften Königs zu erwerben, wohl wissend, dass die Bewunderung seines Volks seine beste Verteidigung war. Auch wenn ich mich wegen dieses Gedankens schuldig fühlte, verglich ich unwillkürlich seine leutselige Art mit der Scheu und Distanziertheit meines Henri. Während mein Sohn sich gegen all jene, die womöglich ein Attentat planten, abschirmen musste, mischte sich Navarra anscheinend sorglos unters Volk und strahlte gegenüber jedem, der seinen Weg kreuzte, ungetrübte Lebensfreude aus. Selbst Margot entspannte sich in seiner Nähe und zeigte allmählich wieder das kokette Gebaren ihrer Jugend. Ein Anzeichen dafür, dass sie womöglich schon einmal das Bett geteilt hatten, vermochte ich zwar nicht zu erkennen, aber die Art und Weise, wie sie in seiner Gegenwart die Wimpern flattern ließ, beflügelte meine Hoffnung, dass das nicht mehr lange dauern würde und er sie, Geruch hin oder her, eigentlich schon für sich gewonnen hatte. Und war sie erst einmal schwanger, wäre Navarra noch enger an uns gebunden.
Trotz all dem hatte ich noch nie einen derart strengen Winter verbracht. Wochenlang fiel pausenlos Schnee, der alles einhüllte, und während ich in Navarras steinerner Festung in Decken gewickelt vor dem Kamin kauerte, spazierte Navarra wie im Hochsommer in Hemdsärmeln umher. Seine Unverwüstlichkeit, gepaart mit seiner ungezwungenen Art, ging mir bald auf die Nerven, denn er gebärdete sich, als wäre meine Anwesenheit lediglich ein ausgedehnter Besuch bei Verwandten. Meine Gereiztheit nahm zu, als ich von Birago die Nachricht erhielt, dass Elizabeth Tudor Hercule endlich gestattet hatte, um sie zu werben, und Henri meinen jüngsten Sohn in einer mit Geschenken beladenen Galeone nach England geschickt hatte. Es machte mich wütend, dass ich nicht hatte zugegen sein können, um Hercules Abreise zu beaufsichtigen, und meine Unruhe wuchs, weil nicht abzusehen war, was er so fern der Heimat noch alles anstellen mochte.
Margot dagegen hatte sich gut eingelebt. Als ich eines Nachmittags noch steifer und durchfrorener als zuvor aus einem Schlummer erwachte, ging ich mit Lucrezia in den großen Saal, um mich aufzuwärmen. Und dort stand meine Tochter auf dem nackten Boden und kommandierte eine, wie es mir vorkam, kleine Armee von mit Kisten, Möbeln und Teppichen beladenen Männern herum. Navarra, der in einem neuen vergoldeten Sessel vor dem Kamin saß und einen Kelch in den Händen drehte, beobachtete sie mit einem unbekümmerten Grinsen.
» Dio mio «, seufzte ich, »was ist denn das?«
»Wonach sieht es denn aus?«, blaffte Margot. »Ich räume um. All dieser Marmor und die kalten Ziegel – das ist ja barbarisch! Jetzt bin ich eine Königin, und da muss ich ein entsprechendes Leben führen.«
Ich warf Navarra einen Blick zu. Dieser zuckte nur die Schultern. »Sie leert noch meine Staatskasse, wenn sie so weitermacht. « Er grinste. »Aber zumindest verhungern wir stilvoll. «
An diesem Abend saß Margot, mit einer ihrer fantasievollen Perücken und einem gewagten Kostüm bekleidet, an der Spitze einer festlich gedeckten Tafel zur Feier der neuen Einrichtung und war hellauf entzückt, weil keine der anwesenden Damen sie überstrahlen konnte. Später erfuhr ich, dass Navarra und sie endlich das Bett miteinander teilten, was meine Sorge beschwichtigte, sie könnten ihr Leben weiterführen, ohne den wahren Zweck ihrer Verbindung anzuerkennen.
Am nächsten Tag ließ mir Navarra mitteilen, dass er mich zu sprechen wünsche.
Ich trat in seine private Studierkammer – ein sehr männlich wirkender Raum mit Holzvertäfelung, der sich Margots Renovierungsbemühungen widersetzt hatte. Es gab ein breites Fenster mit Blick auf die schneebedeckten Berge, daneben einen fadenscheinigen
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