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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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wie Ihr seht, wird Guise unabhängig davon, welchen Glauben ich wähle, nicht ruhen, bis er sich von meinem Tod überzeugt hat.«
    Ich schluckte. »Wie … wie könnt Ihr wissen, dass das wahr ist? Jeder Gesandte, der sein Geld wert ist, kann Informationen fälschen, damit sein Herr zufrieden ist.«
    »Ich weiß, dass es wahr ist, weil ich Guise kenne. Und Ihr wisst es auch.« Er trat auf mich zu, ergriff meine Hand und hob sie an seine Lippen. »Tante Cathérine, ich glaube, dass Euer Sohn Euch braucht. Vielleicht können wir uns wieder treffen, wenn Ihr die Angelegenheit mit Guise geregelt habt.«
    Damit ging er hinaus. Während seine Schritte auf dem Flur verhallten, schloss ich die Faust um den Fetzen in meiner Hand.

    Mitte November erreichte ich Paris. Ich war neun Monate fort gewesen. Birago kam mir entgegengeritten. In seinem schwarzen Damast erinnerte er stark an eine Krabbe, als er, die knotigen Finger um seinen Stock gekrümmt, in meine Kutsche stieg.
    »Auf den Straßen herrscht Unruhe«, berichtete er. »Die Pest ist ausgebrochen, und Seine Majestät hat sich mit der Königin in Vincennes verschanzt. Zwar ist die Seuche auf die ärmeren Stadtviertel beschränkt, aber Seine Majestät weigert sich, nach Paris zurückzukehren, solange er sich nicht sicher ist, dass ihm nichts passieren wird.« Birago verstummte und hustete hinter vorgehaltener Hand. Er sah fürchterlich aus. Seine Haut schimmerte gelblich, und sein Rücken hatte sich gekrümmt; unter der Robe zeichneten sich die Schulterknochen ab.
    »Sonst noch etwas?«, fragte ich leise. Nie hätte ich so lange wegbleiben dürfen. Auf keinen Fall hätte ich meinen gebrechlichen alten Freund mit der Bürde belasten dürfen, auf meinen Sohn und die Geschicke des Reichs zu achten.
    »Diese andere Angelegenheit, die Ihr erwähnt habt«, sagte Birago. »Zwar habe ich keine Beweise für Zahlungen aus Spanien gefunden, aber Guise hat sich heimlich mit den anderen katholischen Fürsten getroffen. Es scheint, als könnte er mit Spanien und Rom eine Allianz bilden, ganz nach dem Vorbild des Triumvirats seines verstorbenen Vaters.«
    »So, so«, sinnierte ich, den Blick auf die Türme von Notre-Dame gerichtet, »le Balafré ersteht also von den Toten auf. Behaltet ihn im Auge. Ich will über alles, was er tut, Bescheid wissen, über jeden Schritt, den er macht, wohin auch immer, und über jeden, den er trifft. Und wenn es so weit ist, werde ich mit ihm abrechnen.«

    Anna-Maria war überglücklich, mich wiederzusehen. Wir umarmten einander lange und innig, und als Lucrezia und ich unsere Reisekleider ablegten, spürte ich wieder einmal, wie sehr ich mich auf meine zwei Vertrauten verlassen konnte. Seit meiner Ankunft in Frankreich waren sie meine beständigsten Gefährtinnen gewesen, immer an meiner Seite, wenn ich sie brauchte, und mir zuliebe hatten sie auf einen Mann und eigene Kinder verzichtet.
    An diesem Abend saß ich lange vor dem Spiegel. Neben Rheuma and Kreislaufproblemen plagte mich ein immer wieder auftretender Knoten in der Brust, der mir bisweilen die Luft zum Atmen raubte, und nun war auch noch mein Haar völlig weiß geworden. Da ich in der Öffentlichkeit ohnehin immer eine verschleierte Haube trug und keinen Anlass sah, mir Locken zu drehen, hatte ich es mir stets von Lucrezia schneiden lassen. Zunächst hatten mich die weißen Haare nicht gestört. Im Gegenteil, ich war erleichtert gewesen, sie nicht mehr jede Woche mit Walnusssaft färben zu müssen und mich mit heißen Eisen und ausgefallenen Frisuren abzuplagen. Doch als ich jetzt mit meinem fahlen Gesicht und dem schneeweißen Flaum konfrontiert war, kam ich nicht umhin, das heimtückische Voranschreiten meines Verfalls zur Kenntnis zu nehmen. Mein Kinn war schlaff, die Falten an der Stirn und um den Mund hatten sich tief in die Haut gegraben; und meine dunklen Augen, einst mein aufsehenerregendstes Merkmal, hatten ihren Glanz verloren, waren in bleibenden Schatten versunken und von einer Haut umgeben, die an den Rändern wie Krepp plissiert war.
    Anna-Maria kam mit meiner Schlafhaube herein. Mit leiser Stimme fragte ich sie: »Glaubst du, dass ich zu alt bin?«
    Sie blickte mir im Spiegel in die Augen. Von uns dreien glich sie noch am meisten ihrem früheren Selbst; ihr spitzes Gesicht hatte die geringsten Einbußen erlitten; irgendwie verliehen ihr ihre geringe Größe und ihre schnellen Bewegungen den Anschein von ewiger Jugend. Sie lächelte. »Ihr könnt nie zu alt sein, Hoheit. Nicht,

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