Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
aufzuhacken und eine Grube auszuheben. Mit zitternden Händen hielt ich Muet fest und brachte es nicht über mich, sie loszulassen. Schließlich musste Lucrezia sie mir aus den Händen nehmen. Danach wandte ich mich ab und starrte in den bleiernen Himmel, während der Wind an mir zerrte und hinter mir die Schaufeln die Erde wieder in die Grube füllten.
    »Adieu, meine Muet«, flüsterte ich, und die Tränen rannen mir über die kalten, abgehärmten Wangen.
    Ich war siebenundfünfzig Jahre alt. Mein Leben lang hatte ich gegen den Tod gekämpft, hatte einen Ehemann und vier Kinder begraben, einen Liebhaber und zahllose Feinde getötet, doch es war dieser unscheinbare Verlust, an dem ich zerbrach.
    Wenn der Tod an diesem Tag zu mir gekommen wäre, hätte ich ihn mit offenen Armen empfangen.

    Es dauerte drei Wochen, bis wir Frankreich durchquert hatten. Als wir zu guter Letzt den verschneiten Hof von Navarras Burg in Nérac erreichten, stand er bereits da, um uns in Empfang zu nehmen.
    Er war nicht ausgeritten, um zu verfolgen, wie sein Volk unsere Ankunft feierte. So waren ihm auch die erstaunten Gesichter der Leute entgangen, als sie Margots ansichtig wurden, die in ihrem mit Hermelin besetzten karmesinroten Umhang im Damensattel ritt. Freilich wusste ich, dass er längst über das Aufsehen, das sie erregte, in Kenntnis gesetzt worden war, und er begrüßte uns mit einem entsprechend süffisanten Lächeln. Er selbst war mit einem schlichten schwarzen Wollwams und einer bauschigen Kniebundhose bekleidet. Sein Körper war gedrungen, kräftig; sein struppiges kupferfarbenes Haar erinnerte an ein von einem Sturm verwüstetes Strohdach, und sein Vollbart ließ die lange Nase noch größer erscheinen. Als er Margot auf die Lippen küsste, funkelten seine grünen Augen fröhlich. Sie indes rümpfte die Nase. Auch wenn er nicht unattraktiv war, hatte ich sogar aus der Ferne seinen strengen männlichen Geruch wahrgenommen und konnte darum gut verstehen, warum Margot ihn verschmähte. Ganz offenbar hatte Navarra nicht die Gewohnheit, regelmäßig zu baden, wohingegen Margot penibel auf ihre Körperpflege achtete.
    »Ich bin überglücklich, dich wiederzusehen, meine Liebe«, sagte er in einem schleppenden Singsang. Sein Blick fiel auf unsere Gepäckkarren, die hinter uns in den Hof rumpelten. »Hast du denn ganz Paris mitgebracht?«
    Ohne Margots Antwort abzuwarten, wandte er sich mir mit einem breiten Lächeln zu, als hätten wir uns erst letzte Woche verabschiedet. »Tante Cathérine, willkommen in meinem bescheidenen Reich.«
    Ich bemerkte die Veränderung an ihm auf Anhieb. Er mochte immer noch den Luftikus spielen und sich in jene Pose werfen, als könnte ihm nichts auf der Welt etwas anhaben, mit der er der Liebling der Pariser Huren geworden war, doch ich spürte eine neue Selbstsicherheit. In die Sicherheit seines bergigen Reichs eingebettet, von seinen Hugenotten umgeben, war Navarra der Herr im Hause. Diesmal fiel es mir zu, Gast an einem feindseligen Hof zu sein. Ich erwiderte sein Lächeln. Aber da er jetzt der König eines anderen Reiches war und auch so auftrat, konnte ich ihn nicht mehr mit der früheren Vertrautheit behandeln. Etwas steif antwortete ich: »Mein Schwiegersohn, wie gesund Ihr ausseht! Die Luft hier tut Euch gut.«
    »Das sollte sie auch.« Er feixte. »Schließlich ist es meine Luft.« Er nahm Margot bei der Hand. »Entschuldige, unsere Luft. Alles, was ich habe, gehört jetzt auch dir, meine Königin. Komm, ich habe Gemächer für dich vorbereitet.« Er hielt inne. »Hoffentlich finden sie Gnade vor deinen Augen. Leider kann ich nicht mit dem Glanz des Louvre mithalten.«
    Ich hörte Margot antworten: »Das hatte ich auch gar nicht erwartet.« Damit hängte sie sich bei ihm ein, um sich von ihm in die Burg führen zu lassen. Mir blieb es überlassen, hinterherzutrotten und die vielsagenden Blicke der Hugenotten zu ignorieren.

    Mit dem Verweis auf das bevorstehende Weihnachtsfest verschob Navarra all unsere offiziellen Angelegenheiten bis auf Weiteres. Um Margot der Öffentlichkeit zu präsentieren, veranstaltete er eine Prozession, und sein Volk bewirtete uns mit gebratener Forelle und Knoblaucheintopf. Während meine Sänfte hinter dem königlichen Paar durch das Gedränge getragen wurde, bekam ich die scheelen Blicke der Leute, die meisten davon einfache Bauern, deutlich zu spüren. Ihnen, die allesamt Protestanten bis ins Mark waren, galt ich als die ungeheuerliche Königinmutter, die das

Weitere Kostenlose Bücher