Die florentinische Prinzessin
Waise gefühlt, bis ich den König mit seinen Töchtern sah, und ich stand beklommen daneben und kam mir überflüssig vor.
François drückte Marguerite an sich und kniff Madeleine liebevoll in die Wange. Er lächelte mir zu. »Was?«, sagte er mit gespielter Strenge. »Kein Unterricht heute?«
»Wir haben Muffelkatz fortgeschickt«, erklärte Marguerite. »Wir wollten uns mit Cathérine unterhalten.«
»Muffelkatz? Meint ihr, es schickt sich, eurer neuen Schwester solche Spitznamen beizubringen?«
»Besser, sie erfährt ihn gleich«, entgegnete Marguerite, »dann kann sie sich mit Aristoteles und Plutarch befassen, ohne sich lange zu fragen, warum ihr Lehrer so stinkt.«
François lachte auf. »Hört Ihr das, Anne, meine Liebe? Sie sagt, ihr Lehrer stinkt! Mon dieu, was für eine scharfe Zunge sie hat! Ein Schwert ist stumpf dagegen!«
»Wohl wahr«, ließ sich eine kultivierte Stimme vernehmen. »Offenbar ist Ihre Hoheit aus dem gleichen Holz wie ihr Vater geschnitzt.« Die Rothaarige in Jadegrün trat aus einer Gruppe von Damen vor, die unter Schleppenrascheln und Parfümwolken ins Zimmer geschlüpft waren. Marguerite hatte mir gesagt, wer sie war: Anne d’Heilly, Duchesse d’Etampes, Mätresse des Königs und viel mehr Königin am Hof, als seine Gattin es je sein würde. Mit ihren großen Katzenaugen und perlengeschmücktem Kupferhaar trat sie neben François, nickte den Prinzessinnen huldvoll zu und richtete dann die volle Macht ihres Blickes auf mich. »Wie geht es unserer petite italienne ? Hat sie sich schon an unsere Lebensart gewöhnt?«
Ich sah hilfesuchend zum König hin. Er hob die Brauen wie zur Ermutigung. Ich schluckte und wandte mich seiner Mätresse zu. »Madame, ich habe mich hier vom ersten Moment an zu Hause gefühlt. Ich liebe Frankreich.«
»Tatsächlich?« Ihr karmesinroter Mund verzog sich zu einem kühlen Lächeln. »Wie reizend. Frankreich hat ja nicht jeden Tag die Gelegenheit, ein Stück Italien für sich zu gewinnen, nicht wahr?«
Darauf wusste ich nichts zu erwidern und nahm stumm auf meinem Schemel Platz, während der König sich zwischen seine Töchter setzte. Die Herzogin fegte an mir vorbei zu ihren Frauen und streifte meine Beine mit ihrer Schleppe. Ich spürte ihre eisige Zurückhaltung, als sie sich auf die gepolsterte Fensterbank setzte. Ihre überheblichen Hofdamen scharten sich um sie. Ich wagte es nicht mehr, ihrem Blick zu begegnen. Da rief François plötzlich: »Habt Ihr gehört, Anne? Madeleine sagt, Cathérine beherrscht schon ihren Plutarch.«
»Ach … wirklich?«, erwiderte die Herzogin. Ihre Angewohnheit, jeden Satz in eine Frage zu kleiden, zerrte an meinen Nerven. »Dann ist sie wohl recht fortgeschritten, hm? Hoffentlich wird sie die Schulstunden hier nicht als Zeitverschwendung empfinden?«
»Oh nein!«, rief ich, zur allgemeinen Überraschung. »Bestimmt nicht, Madame!« Ob ich nun fürchtete, sie würde mir den Unterricht mit den Prinzessinnen verwehren, oder ob ihr starrer, abschätzender Blick mich zermürbt hatte, jedenfalls bebte ich am ganzen Leibe, als sie sich mit beängstigender Entschlossenheit erhob.
»Eure Majestät, ist es nicht an der Zeit, dass die Duchesse d’Orléans und ich uns besser kennenlernen? Vielleicht würden Ihre Hoheiten gern einen Spaziergang im Park unternehmen?«
Duchesse d’Orléans; sie wollte mit einer ihrer Frauen sprechen. Ich stand schnell auf, um zu flüchten. »Meine Liebe«, säuselte sie, »wo wollt Ihr hin? Ihr seid doch die Herzogin, n’est ce pas ?«
Ich erstarrte. Alle gingen hinaus und ließen mich allein mit der Mätresse des Königs.
Sie winkte mich zur Fensterbank, und ich gehorchte. Du lieber Gott, was hatte ich getan? Wie hatte ich sie gegen mich aufgebracht? »Ihre Hoheiten sind ja sehr von Euch angetan«, sagte sie. »Es fällt Euch leicht, Freundschaften zu schließen, wie es scheint.«
»Ihre Hoheiten … sie sind sehr freundlich. Ich … bin gern in ihrer Gesellschaft.«
»Wie es Euch geziemt. Doch da Ihr diejenige seid, die verheiratet ist, müsst Ihr ihnen auch ein Vorbild sein.« Sie drapierte den Arm über ihre Stuhllehne und offenbarte ein funkelndes Smaragdarmband. »Versteht Ihr?«
Ich schluckte. »Nein, Madame. Habe ich Seine Majestät in irgendeiner Weise verärgert?«
Sie lachte kurz auf, ein verführerisches Vibrato. »Im Gegenteil. Er ist ebenfalls sehr von Euch angetan. Ganz bezaubert sogar. Ich dagegen …« Sie stand auf und trat auf mich zu. Ihr Fingernagel kratzte
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