Die florentinische Prinzessin
Teller legte, drehte sich mir der Magen um, und ich schob den Teller von mir. Angewidert hob ich den Kopf und bemerkte einen Mann, der einsam im Schatten der Wandpfeiler stand. Seinen scharlachroten Umhang hatte er sich über die breiten Schultern drapiert.
Ich zuckte zusammen, als mir klar wurde, wen ich da anstarrte : Guise.
Seit dem Massaker hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Vor dem Rot seines Umhangs hob sich sein dunkles Samtwams ab, das sich an seinen muskulösen Oberkörper schmiegte. Sein weißblondes Haar war wie bei einem Soldaten fast bis zur Kopfhaut geschoren, das Gesicht verriet Stolz. Mit seinen fünfunddreißig Jahren hatte er das gefährliche Versprechen seines väterlichen Bluts eingelöst und verströmte darüber hinaus eine sinnliche Männlichkeit, die seinem Vater, le Balafré, gefehlt hatte. Plötzlich konnte ich verstehen, warum meine Tochter um ihn getrauert hatte, und während ich das noch dachte, schielte ich unwillkürlich in Margots Richtung.
Sie hatte sich mit einem Lächeln auf den Lippen genüsslich in ihrem Stuhl zurückgelehnt. Mein Herz begann heftig zu pochen. Ich ließ den Blick über das Podest zu Henri schweifen, der neben Louise an der Tafel saß. Trotz ihrer Prachtkleider wirkte sie blass und geistesabwesend; von ihrem Handgelenk baumelte ein Rosenkranz. Mein Sohn bemerkte meinen Blick und schaute über die Höflinge hinweg zu den Wandpfeilern. Plötzlich erstarrte er, und alle Farbe wich aus seinem Gesicht.
Ich versuchte zu essen, brachte jedoch keinen Bissen hinunter, denn ständig spürte ich, wie sich Guises Blick in meine Augen bohrte. Margot indes plauderte mit einer Dame zu ihrer Rechten, griff wieder und wieder nach einer Karaffe, um ihren Kelch nachzufüllen, und tat die ganze Zeit so, als wüsste sie nichts von der Anwesenheit ihres früheren Liebhabers, obwohl ihr Blick ihn gelegentlich flüchtig streifte. Ich spürte, dass etwas zwischen ihnen war, ein unausgesprochenes Einverständnis, eine gemeinsame Intrige. Ich saß auf der Stuhlkante, als Henri sich erhob. Da Hercules Tod die Erbfolge der seit beinahe zweihundert Jahren herrschenden Valois’ gefährdete, hatten Henri und ich seine Rede in aller Sorgfalt ausgearbeitet.
Bekleidet mit seinem lila Mantel und der Saphirkrone, sprach Henri flüssig und elegant. Mit wohltönender Stimme bekundete er seine Trauer um Hercule und betonte die Notwendigkeit, die Heilung des Reichs von den Wunden der Zwietracht fortzusetzen.
»Meine Feinde sollen gewarnt sein«, schloss er, und ich bemerkte, wie sich sein Blick auf Guise richtete. »Ich werde in dieser schweren Zeit keinen Streit dulden! Frankreich muss an erster Stelle stehen – vor allem anderen. In diesem Geiste« – er wies auf Margot – »ernenne ich hiermit den Gemahl meiner Schwester, meinen Cousin und Träger des gleichen Namens, Henri von Navarra, zu meinem Thronerben, sofern er den Bedingungen, die ich ihm stellen werde, zustimmt, und Ihre Hoheit, meine Königin, mir nicht mit Gottes Willen einen Sohn gebiert.«
Der Hof spendete Beifall. Und gerade wollte sich Henri wieder setzen, als Guise vortrat.
»Eure Majestät«, erklärte er in gebieterischem Ton, der jeden sofort in seinen Bann zog. »Wir freuen uns über Eure Bereitschaft, Eurem Königreich den Vorrang einzuräumen, aber ich fürchte, Frankreich benötigt eine stabilere Lösung als Eure Wahl des Erben.«
Henri erstarrte. Ich erhob mich hastig. »Edler Herzog, wir haben soeben unsere …«
»Madame, ich bin nicht taub«, fiel mir Guise ins Wort. Gemessenen Schrittes trat er ans Podest. Als er es erreicht hatte, zog er unter seinem Umhang ein Paket hervor. Ich konnte die Augen nicht von seinen großen, geäderten Händen abwenden, die Coligny erstochen und dann vom zweiten Stock durch das Fenster auf die Straße geworfen hatten.
Guise wog das Paket in den Händen. »Hier habe ich Gesuche von den Bürgermeistern der Städte an der Grenze mit Navarra. Er überfällt sie ungestraft, entführt unsere katholischen Stadtväter und setzt Häretiker an ihre Stelle. Während wir den Verlust unseres Dauphins beklagen, hat er dafür gesorgt, dass jede Stadt in der Nachbarschaft seines Reichs auf seinen Befehl hört.«
Mein Blick flog zu Margot. Sie erwiderte ihn mit Augen so kalt wie Onyx.
Henri rührte sich nicht von der Stelle, sagte kein Wort, sondern starrte unentwegt Guise an. Dann sah ich etwas über sein Gesicht ziehen, eine Härte, die ihn den Kiefer vorschieben und die Zähne blecken
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