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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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im Hof, um mich von Margot zu verabschieden. Sie sollte zum Château Usson in der Auvergne gebracht werden – ein isoliertes Herrenhaus, das gut bewacht sein würde, und neben der Bastille der einzige Ort, wo sie keinen Schaden anrichten oder erleiden konnte. Als wir sie darüber informiert hatten, hatte sie das wortlos zur Kenntnis genommen.
    Flankiert von Wächtern, tauchte sie aus dem Palast auf und schritt zu ihrem Pferd. Ich sah zu, wie sie auf den Holzblock stieg und sich mit vollendeter Anmut in den Sattel schwang. Und als sie die Zügel ergriff und sich mit dem Pferd zu mir umwandte, verriet jede ihrer Gesten Kraft und Beherrschtheit.
    Plötzlich war mir zum Weinen zumute. Ich wollte sie nicht verstehen, wollte nicht wissen, wie sich dieser Abgrund zwischen uns hatte auftun können. Aber ich wusste es längst. Sie liebte mit ganzer Seele; sie hatte sich vollständig dem Mann hingegeben, den wir ihr verwehrt hatten. Da war es ihr gleichgültig, ob Guise ihr Opfer je würdigen würde. Was für sie zählte, war, dass sie ihn nie aufgegeben hatte.
    »Vergiss nie, wer du bist«, ermahnte ich sie. »Denk daran: Das Blut von Königen fließt in deinen Adern.«
    Sie bedachte mich mit einem bitteren Lächeln. »Wie könnte ich das je vergessen? Das ist ja mein Fluch.« Damit trat sie ihrem Zelter in die Seiten und galoppierte, dicht gefolgt von ihren Wächtern, davon.
    Gleich darauf war sie im Schneegestöber verschwunden.

    Der strenge Winter wich einem von Hungersnot geprägten Sommer und einem nassen Herbst. Selbst als die Ernte auf den Feldern verschimmelte und die Brotpreise in Paris Volksaufstände auslösten, sandten uns Biragos Spione täglich Berichte über Versammlungen katholischer Adeliger auf Guises Gut, über die Anwerbung von Soldaten und die Lagerung von Waffen – was von König Philipp von Spanien finanziert wurde. Vom anderen Ende des Landes erreichte uns die gleichermaßen beunruhigende Nachricht, dass Navarra noch mehr Städte eingenommen hatte, Tausende von Hugenotten sich unter seiner Standarte sammelten und er in jeder Burg, die er stürmen konnte, die Geschütze an sich gerissen hatte. Ein Krieg stand unmittelbar bevor, ein Vernichtungskrieg. Und gefangen in meinen Gemächern, während der Regen gegen die Fensterscheiben prasselte, verfasste ich einen Brief nach dem anderen, alle mit der Bitte, dass Navarra einem Treffen zustimmen möge, bevor es zu spät war.
    Als ich eines Abends mit verkrampften Fingern an meinem Pult saß, hörte ich, wie die Tür aufging. Ich blickte auf und erkannte Henri. Er hatte sich nach der Erniedrigung im Louvre nach Vincennes zurückgezogen, und auch wenn wir uns wöchentlich anlässlich der Sitzungen seines Kronrats trafen, hatte er mich seitdem nicht mehr allein besucht.
    »Wisst Ihr, warum er mich so verachtet?«, fragte er.
    Ich musterte ihn mit trüben Augen. »Ja. Er glaubt, du hättest die Ermordung seiner Glaubensbrüder und Freunde von langer Hand geplant. Auch wenn wir ihm das Leben gerettet haben, hat er uns diese grauenhafte Nacht nie vergeben.«
    »Nein, ich meine Guise.« Henri trat ein. Das schulterlange Haar hatte er sich aus seinem wunderschönen Gesicht gebunden; nun, da er sich seinem fünfunddreißigsten Geburtstag näherte, waren seine Züge wie bei allen Valois’ klarer und markanter geworden, wohingegen seine Augen, was die Ausdruckskraft, die langen Wimpern und das herrliche Schwarz betraf, eindeutig nach den Medici schlugen. Birago hatte mir berichtet, dass er täglich mit Schwert und Bogen übte und jeden Nachmittag im Wald ausritt. Die Bewegung machte sich in seiner straffen Haltung bemerkbar.
    »Ich habe ihn einmal geliebt.« Sein Gesicht wurde im Kerzenlicht ganz weich. »Als wir beim ersten Mal gegen die Hugenotten in den Kampf zogen, haben wir zusammen gegessen, uns denselben Pavillon geteilt; wir waren mehr als Freunde. Er war mein Bruder. Der Bruder, den ich nie in François, Charles oder Hercule hatte. Er passte bei allem auf mich auf; er meinte sogar, eher würde er sterben, bevor er zuließe, dass mir ein Leid geschehe.«
    Er lachte leise vor sich hin. »Ich habe mich in ihn verliebt. Wie konnte ich da widerstehen? Er war schön wie ein Gott, wild wie ein Heide. Er war all das, was ich sein wollte.« Er hielt vor meinem Pult inne und strich mit seinen langen Fingern über die Kante der Walnussholzplatte, als dächte er gerade an die Haut eines Liebhabers. »Als ich endlich den Mut aufbrachte, es ihm zu gestehen, war er

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